Skylla & Charybdis:
Die Kolumne von Julya Rabinowich: Heute über Armut durch Teuerung, eine Politik die dieses Problem verkennt und die Gefahren, die das mit sich bringt.
Julya Rabinowich
Wien, 06. August 2022 | Das Leben ist einem lieb und teuer. Offenbar das Motto mancher Energieversorger. Der Sommer türmt sich noch zu Hitzeschild und Schwüle, aber der Herbst wartet schon irgendwo hinter dem Silberstreif. Und der Herbst wird über Österreich hinweg rollen, ohne dass Allzuvieles vorbereitet worden ist. Die Stromrechnungen sind schon jetzt eine existenzbedrohliche Herausforderung. Die Preise werden noch steigen. Das Leben wird teuer, teurer, am allerteuersten.
Wer wird da noch mitziehen können? Wer bleibt auf der Strecke? Manchen ging nie allzu gut. Manchen gehts nicht mehr allzu gut im Staate Österreich. Die Armutskonferenz warnt. Die Tafeln müssen Menschen abweisen. Das bedeutet einen täglichen Verlust an Chancen. Das bedeutet tägliches Imstichlassen von armutsbetroffenen Kindern. Gleichzeitig fahren einige wenige ihre Gewinne hoch wie einen Schutzschild. Man muss nicht wirklich weit in die Zukunft blicken, um zu erkennen, was das in absehbarer Zeit bedeuten wird.
Die Spaltung der Gesellschaft, schon schmerzhaft brutal in sozialen Netzen vorangetrieben, von zahnloser umfragegeiler Politik in Pandemiezeiten nicht bekämpft- diese Spaltung wird eine ganz neue Qualität gewinnen. Es wird dies die Zeit der Rattenfänger sein, die Verzweifelte am Wegesrand aufklauben, um mit ihnen ein paar Schritte in die falsche Richtung zu gehen. Politik, die Menschen herabwürdigt, wird Menschen ernten, die nicht nur die Politik herabwürdigen, sondern auch andere Menschen: die Minderheiten. Die Hilfsbedürftigen. Die anderen.
Einmalige Almosen werden die dramatische Situation nicht entschärfen, das sind kleine Trostpflaster auf tiefen Fleischwunden, um das abgedroschene Bild des Tropfens auf dem heißen Stein nicht zu bemühen. Ablenkungsmanöver und Schönwettersäuselei helfen nicht im stürmischen Wind. Menschen wurden darauf eingeschworen, die ICH_AG auf die Spitze zu treiben, Solidarität wurde ihnen als Blödheit ausgelegt, Vorsicht und Rücksicht als Angststörungen. Sei ein Rädchen im Maschinenwerk, hat man ihnen gesagt. Jeder ist ersetzbar, hat man ihnen gesagt. Wer es nicht schafft, ist selber schuld. Wer Hilfe braucht, ist erbärmlich. Viele haben es wohl verinnerlicht, mit Abscheu auf jene herabgesehen, die es schwerer hatten.
Es gibt schlechte Neuigkeiten: Es werden nun sehr viele sein, die jetzt nicht mehr so funktionieren können wie verlangt. Es werden viele sein, die ihren Lebensstandard nicht mehr halten werden können. Der nächste Winter wird dramatisch- wenn der Staat nicht eingreift und die Politik nicht Klartext spricht. Beruhigungspillen helfen nicht bei hereinbrechendem Unwetter. Es hilft ein Unterschlupf. Wir brauchen also Mut zu Klartext und wir brauchen Rückgrat für konkrete Pläne, was die Regierung zu tun gedenkt. Ankündigungen im Stile des Sebastian Kurz werden niemanden retten. Sie haben nicht mal Sebastian Kurz gerettet. Wer das Spielfeld den extremen Populisten überlässt, wird in wirklich ungemütlichen Zeiten aufwachen. Diese Lektion sollte eigentlich schon längst gelernt sein. Offenbar ist Österreich in manchen Dingen schwer von Begriff.
Titelbild: ZZ/Julya Rabinowich