Kritik an Treffsicherheit und Finanzierung
Erste Details zum Strompreisdeckel sind bekannt geworden. Private Haushalte werden entlastet, Experten kritisieren die schwache soziale Treffsicherheit.
Wien, 5. September 2022 | Die Regierung hat sich laut „Ö1-Morgenjournal“ auf einen Strompreiskostendeckel für private Haushalte geeinigt. Die ursprünglich bereits für August angekündigte Entlastungsmaßnahme kommt somit mit einigen Tagen Verspätung.
Entlastung bei Stromrechnung
Details sind auch am Montagvormittag erst wenige bekannt. „Ö1“ zufolge soll ab Dezember der durchschnittliche jährliche Stromgrundbedarf einer dreiköpfigen Familie, 2.900 Kilowattstunden (kWh), vom Staat gefördert werden. Die Kosten für Strom könnten sich für private Haushalte dadurch um rund 70 Prozent senken. Für Strom soll bis zu 2.900 kWh nur noch maximal 10 Cent pro kWh bezahlt werden, berichtet die “ZIB”. Nach Angaben des Ministeriums sparen sich Haushalte dadurch in etwa 500 Euro pro Jahr.
Auf ZackZack-Anfrage heißt es aus dem Klima- und Umweltschutzministerium: „Die Strompreisbremse wird am Mittwoch im Ministerrat beschlossen. Sie ist für 80 Prozent des Durchschnittsverbrauchs eines Haushalts wirksam und dämpft den Kostenanstieg massiv. Für den Verbrauch über 2.900 kWh hinaus muss der Marktpreis bezahlt werden. Dadurch wird auch ein Anreiz zum Stromsparen gesetzt.“
Experten skeptisch
Mit der Maßnahme werden kleine Haushalte stärker unterstützt, da sie im Normalfall weniger Strom verbrauchen als größere Familien. Verbraucht ein Vier-Personen-Haushalt etwa häufiger mehr als 2.900 kWh, schafft das eine einzelne Person, oder ein kinderloses Paar deutlich schwerer. Experten kritisieren daher schon im Vorfeld die Treffsicherheit der geplanten Maßnahme. So etwa Eco Austria-Direktorin Monika Köppl-Turyna, die das Paket in der “ZIB” am Sonntag „nicht wirklich sozial treffsicher“ nannte und monierte, dass es „wenig Anreiz bietet Strom zu sparen“.
Die Arbeiterkammer zeigte sich im ZackZack-Gespräch zwar grundsätzlich zufrieden, dass eine Entlastung geplant ist. Sie pocht aber auf eine noch größere Unterstützung für Geringverdiener, da die „Leistbarkeit von Energie garantiert sein muss“. Das würde auch die soziale Treffsicherheit erhöhen. Außerdem müsse eine Ausweitung der Preisbremse auf Erdgas beschlossen werden, um auch die durch Gasheizungen verursachte Kostenexplosion abzufedern. Bei der Arbeiterkammer wünscht man sich außerdem eine Abschöpfung von Übergewinnen bei Energiekonzernen, um die Maßnahme zu finanzieren und die Steuerzahler nicht noch weiter zu belasten.
Das fordern auch zahlreiche Twitter-User, die sich darüber beschweren, dass der Steuerzahler die hohen Zufallsgewinne von Energiekonzernen dadurch unterstützt.
Opposition schäumt
Bei der SPÖ stößt die Maßnahme auf wenig Gegenliebe. Der stellvertretende Klubobmann Jörg Leichtfried befindet die Regierung für „weder fähig noch willens, den Menschen und unserem Land in dieser Krise wirksam und nachhaltig zu helfen. Die jetzt angekündigte finanzielle Unterstützung wird erst im Winter greifen und ist überdies viel zu wenig.“
FPÖ-Chef Kickl fordert neben einem Ende der Russland-Sanktionen tiefgreifendere Maßnahmen. Die jetzige Hilfe „beschränkt sich auf eine halbherzige Symptombekämpfung und verteilt wieder einmal ‚Gutscheine‘ wie Almosen, deren Effekt blitzschnell verpufft. Insgesamt kommen die Österreicher doppelt zum Handkuss: Sie zahlen weiterhin durch die Teuerung drauf, die bei mehr als neun Prozent liegt, und die sogenannte ‚Strompreisbremse‘ finanzieren sie sich die Steuerzahler ja auch selbst.“
Die NEOS kritisieren das lange Zögern der Regierung und die Treffsicherheit der Maßnahme: „Ein Konzept für eine ordentliche Strompreisbremse ist seit Tagen überfällig. ÖVP und Grüne haben wieder einmal zu lange abgewartet, um sich dann auf etwas zu einigen, das weder die richtigen Energiesparanreize schafft noch in irgendeiner Art und Weise treffsicher ist. Stattdessen packt die Bundesregierung erneut die Gießkanne aus“, so Energiesprecherin Karin Doppelbauer.
Wärmepumpe “bestraft”?
Eifrig diskutiert wurde in den sozialen Netzwerken auch ein etwaiger Nachteil für Personen, die mittels Wärmepumpe, also Strom, heizen. Auch das E-Auto dürfte sich bei diesen Strompreisen nicht rentieren, so die Angst.
Aus dem Ministerium heißt es dazu: „Klar ist auch, dass Haushalte, die mit einer Wärmepumpe heizen, durch die hohen Kosten stark belastet sind – so wie auch Haushalte, die mit Gas, Fernwärme oder Pellets heizen. Denn auch dort sind die Preise massiv gestiegen. Im Sinne der Gleichbehandlung ist es nicht möglich, einer einzelnen Gruppe eine Heizkostenunterstützung zu gewähren, während andere die Preissteigerungen selbst tragen müssen. Die Bundesregierung fördert mit der Stromkostenbremse den Grundbedarf an Strom, die Frage der Heizkostenzuschüsse wird in einem nächsten Schritt bearbeitet.”
Deutschland plant Preisdeckel und Gewinnabschöpfung
Die deutsche Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP stellte am Sonntag ihr drittes Entlastungspaket vor. Es soll 65 Milliarden Euro kosten und Einmalzahlungen, erhöhte Sozialhilfeleistungen und einen Strompreisdeckel beinhalten. Eingeführt wird außerdem eine Sonderabgabe für „Zufallsgewinne“ von Energiekonzernen, um den Staatshaushalt nicht übermäßig zu belasten.
Update: Der Artikel wurde um 13:52 um Beiträge der Opposition und einer Antwort aus dem BMK ergänzt.
(dp)
Titelbild: ZackZack / Christopher Glanzl