Kurz streitet mit Abgeordneten im U-Ausschuss
Bei der Befragung von Sebastian Kurz im U-Ausschuss wurde es abwechselnd frostig und hitzig. Den Showdown lieferte sich der Ex-Kanzler vor allem mit NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Krisper und SPÖ-Politikerin Julia Herr.
Wien, 28. September 2022 | Ex-ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz hat es immer noch nicht leicht. Zumindest, wenn man Sebastian Kurz fragt und besonders, wenn man ihn befragt.
Kurz war am Mittwoch mittlerweile zum vierten Mal in einem Untersuchungsausschuss als Auskunftsperson geladen. Er wandte dort seine alte Taktik an und antwortete besonders ausschweifend bis ausweichend. Unterstützt durch seine ehemalige Partei ÖVP, zettelte er Diskussionen über die ihm gestellten Fragen an. Damit stieß er bei den Abgeordneten der anderen Fraktionen nicht auf Gegenliebe.
Seine letzte Befragung im Ibiza-Untersuchungsausschuss hatte zu noch laufenden Ermittlungen wegen Falschaussage geführt. Obwohl Kurz während der Befragung am Mittwoch wiederholt meinte, dass er sich durch die bisherigen Zeugeneinvernahmen entlastet fühle, ließ er seinen Ärger über die Ermittlungen in einer Auseinandersetzung mit NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Krisper durchblitzen.
“Weil Sie mich angezeigt haben”
Sowohl Krisper als auch Kurz war die Anspannung in ihrem ermüdenden Frage-Antwort-Spiel bald am Tonfall anzumerken. Krisper fragte dabei auch nach Kurz’ Interesse an der Wahrheitsfindung.
Kurz meinte daraufhin etwas verschnupft, ein solches Interesse sei natürlich da. Der Hintergrund für sein Antwortverhalten an diesem Mittwoch sei, “dass Sie mich angezeigt haben und ich mich seither mit einem Verfahren herumschlagen muss.”
Er wolle keine erneute Anzeige riskieren. NEOS hatten Kurz 2021 angezeigt und zwar auf Basis einer Aussage von Kurz über Thomas Schmids Bestellung als Chef der Staatsholding ÖBAG.
Bei Themen, die Kurz als relevant für die Ermittlungen gegen ihn selbst erschienen (etwa Chats von Thomas Schmid), griff er auf sein Entschlagungsrecht zurück. Krisper bat unter anderem darum, dass Kurz sich doch bitte bei den einzelnen Fragen entschlagen solle, anstatt einfach generell zu sagen, er entschlage sich. Das sehe die Geschäftsordnung schließlich so vor.
Mit einem Lachen in der Stimme erwiderte Kurz an einer Stelle: “Ich weiß zwar nicht, was Sie davon haben, ich lese Ihnen den Satz aber gerne zum dritten Mal vor.” Daraufhin las Kurz auf jede ihrer dahingehenden Fragen denselben Entschlagungs-Satz von einem Zettel ab, den ihm seine Vertrauensperson, ÖVP-Anwalt Werner Suppan, wohl kurz zuvor aufgeschrieben hatte.
“Sebastian, emergency!”
Kurz geriet schließlich auch mit der SPÖ-Abgeordneten Julia Herr aneinander. Die beiden hatten eine längere, gereizte Diskussion über einen Immobiliendeal von René Benko. Herr wollte wissen, inwiefern Kurz involviert gewesen war. Sie bezog sich dabei ebenfalls auf einen Chat von Thomas Schmid.
“Sebastian, emergency!”, schrieb dieser an Kurz. “Hartwig (Anm.: Ex-Finanzminister Löger) und René spinnen.” Es sei nicht gut, “dass wir das Winterpalais (Anm.: der Sitz des Finanzministeriums) gegen die PSK (Anm.: Postsparkasse) tauschen”. Angeblich habe Benko Kurz diesbezüglich angerufen, schrieb Schmid.
Dass Herr dieselben Fragen (Gab es dieses von Benko erwähnte Telefonat und worum ging es? Hatten Sie mit Benko Kontakt zu diesem Deal?) ungefähr sechs Mal stellen musste, lag vor allem daran, dass Kurz einerseits zu Wortklaubereien bezüglich Herrs Fragestellung überging, andererseits war er der Meinung, sie vermische bezüglich ihrer Fragen zu Benko zwei Themen. Auch hier wolle er keine Anzeige wegen Falschaussage riskieren, so Kurz.
Grüne, SPÖ und FPÖ: “Verzögerungstaktik”
Nach einem leicht verärgerten “Ich lasse mir nicht von Ihnen das Wort im Mund umdrehen!” und einem “Sie vermischen hier Dinge! Ich hab noch nicht herausgefunden ob ich mich irre, oder ob Sie es absichtlich oder unabsichtlich vermischen!”, dann schließlich seine Antwort: Kurz könne sich an einen solchen Anruf von Benko nicht erinnern.
Nach knapp sechs Stunden war die Fragezeit schließlich erschöpft und Kurz durfte gehen. Grüne und FPÖ waren wegen der Zeitbegrenzung, Kurz’ ausschweifenden Antworten und den zahlreichen Geschäftsordnungsdebatten der ÖVP gar nicht dazu gekommen, Fragen zu stellen. FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker verlangte, Kurz noch einmal zu laden, damit alle ihre Fragen stellen können. Beide Parteien und auch die SPÖ sahen das Verhalten von Kurz und der ÖVP als klare Verzögerungstaktik.
(sm)
Titelbild: ZackZack/ Christopher Glanzl