Durch die Chats von „Presse“-Chef Rainer Nowak und ORF 2-Chef Matthias Schrom mit Thomas Schmid bzw. HC Strache sehen sich beide Medienzampanos heftiger Kritik ausgesetzt – auch intern. Ein Tag, zwei Redakteursversammlungen. Und: ZackZack-Vorschau.
Benjamin Weiser
Wien, 07. November 2022 | Für die Chefredakteure von ORF2 und „Die Presse“ beginnt die Woche auf rauer See. Denn beide müssen sich vor ihren Teams verantworten – Ausgang ungewiss. Wenn Sie verpasst haben sollten, was der Auslöser war: Unser Innenpolitik-Experte Benedikt Faast hat die Schmid-/Strache-Chats mit Mathias Schrom (ORF2), Rainer Nowak („Die Presse“) und Richard Grasl („Kurier“) zusammengefasst. Es offenbart sich ein Bild der zweifelhaften Nähe und medialen Machtbegleitung statt Machtkontrolle.
Spekulationen um Nowak-Rücktritt
Der Redakteursausschuss der „Presse“ lädt für 13 Uhr zur Redaktionsversammlung, wie „Der Standard“ am Wochenende berichtete. Abwählen können die Redakteurinnen und Redakteure ihren Chef nicht, allerdings dürfte Nowak ordentlich unter Druck stehen.
Im Ö1-Medienmagazin „Doubleckeck“ äußerte sich derweil Markus Mair, CEO der Styria-Gruppe, also der Eigentümerin der „Presse“, so: „Wir werden und wir haben die Situation und das Verhalten von Chefredakteur Rainer Nowak intern sehr intensiv besprochen und diskutiert, und dieser Prozess wird auch noch in den kommenden Tagen andauern. Ich erlebe Rainer Nowak hier als demütig.“
Während Mairs erstes Statement nach Aufkommen der Chats noch als Entlastung für Rainer Nowak gewertet wurde, wird spätestens seit dem Kommentar des „Kleine Zeitung“-Chefredakteurs Hubert Patterer über einen möglichen Rücktritt von Nowak diskutiert. So spekuliert Patterer über den „Läuterungs- und Befreiungsakt eines Einzelnen“, der nicht reichen werde für die „Überwindung alter schlechter Gewohnheiten“. Nowak, so Patterer, habe „die Feuerwand nach innen nie preisgegeben, aber so wie ich ihn kenne, wird er sich der Verantwortung stellen“.
Zum Rapport beim ORF
Auch Mathias Schrom muss sich am Montag den Fragen der eigenen Redaktion stellen. Der anberaumten Redaktionsversammlung um 10 Uhr ist ein internes Mail an rund 400 ORF-Bedienstete vorausgegangen. Darin schreibt der Vorsitzende des Redakteursrates, Dieter Bornemann, eine „ordentliche Aufarbeitung dieser Chat-Protokolle“ sei notwendig. Durch Schroms Kommunikation mit Strache (ORF1 sei „noch viel linker“ als ORF2) sei der Eindruck verstärkt worden, „die Politik regiert den ORF und es gibt Führungskräfte, die das tatkräftig unterstützen.“
Fest steht auch hier nur: Für Schrom wird es eher kein angenehmer Termin. Wobei Bornemann im Mail an die Belegschaft Schrom dafür lobte, die Redaktion, gerade das Investigativteam, frei arbeiten zu lassen. Es gebe keine inhaltlichen Beschwerden an seiner Amtsführung.
ZackZack-Vorschau
ZackZack hat indes einiges vor für die kommende Woche: Chronik-Redakteurin Stefanie Marek hat mit ihrer Story über nicht geleistete, aber wohl dennoch verrechnete Stunden der Sicherheitsfirma G4S im Schubhabft-Zentrum Vordernberg für Nervosität gesorgt – allen voran bei G4S. Ehemalige Bedienstete haben sich nämlich an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gewandt. Der Sachverhalt wurde mittlerweile an die Staatsanwaltschaft Graz übergeben. Auch die Polizei kommt wegen ihres Umgangs mit Schubhäftlingen und Missmanagement-Vorwürfen nicht gut weg.
Unsere stellvertretende Chefredakteurin Anja Melzer hat am Samstag den ersten Teil der Reportage-Serie (K)ein Ort wie jeder andere präsentiert. Es geht um Bad Erlach, einen Ort in „ÖVP-Geiselhaft“, mit einem Kaiser als Bürgermeister und einem phallusartigen Wahrzeichen. Im Laufe der Woche wird man auf ZackZack weitere Teile der Reportage bestaunen können – Verstörendes aus dem Maschinenraum der ÖVP-Macht im Kleinen inklusive.
Und natürlich werden wir weiterhin dranbleiben: An den Schmid-Chats, dem ÖVP-Korruptionsausschuss, der Medienkrise, sowie an allem, was relevant ist, aber woanders vielleicht untergeht.
Viel Spaß beim Lesen!
Titelbild: HERBERT NEUBAUER / APA / picturedesk.com