Klimaschutz:
Anlässlich der Weltklimakonferenz COP27 gehen österreichische NGOs hart mit Österreich ins Gericht. Es hinke anderen Industrie-Nationen hinterher und müsse “seine Hausaufgaben machen”, um international ernst genommen zu werden.
Sharm El-Sheikh /Wien, 07. November 2022 | Mehrere Nichtregierungsorganisationen (NGOs), darunter Greenpeace und die Allianz für Klimagerechtigkeit, eine Plattform von 26 österreichischen NGOs aus den Bereichen Umwelt, Entwicklungszusammenarbeit und Soziale und Humanitäre Hilfe, fordern von der österreichischen Bundesregierung „ambitionierte Maßnahmen“ für den Klimaschutz. Sie mahnen, dass wir derzeit darauf zusteuern, die Pariser Klimaziele weit zu verfehlen.
Anlass ist die am Sonntag gestartete Weltklimakonferenz COP27, bei der bis zum 18. November Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder aufeinandertreffen und im Idealfall konkrete Maßnahmen gegen die Klimakrise beschließen sollen. Schwerpunkte der diesjährigen Konferenz ist Klimagerechtigkeit zwischen dem Globalen Norden und Süden, aber auch die effektive Umsetzung der Pariser Klimaziele.
Die vorhergegangene Konferenz in Glasgow war von Beobachtern als Enttäuschung bewertet worden, nachdem kein Abkommen vereinbart werden konnte, welches das 1,5-Grad-Ziel garantiert hätte. In der Abschlusserklärung war zumindest festgehalten worden, dass alle Staaten ihre Klimaschutz-Pläne bis zur COP27 verbessern sollten.
„Österreich muss Hausaufgaben machen“
„Wer bei der Klimakonferenz Fortschritte erzielen will, muss glaubwürdig auftreten“, hieß es in einer Presseaussendung der Allianz für Klimagerechtigkeit von Anfang November. Österreich müsse seine Hausaufgaben machen, ambitionierte nationale Klimaschutzmaßnahmen setzen und „gezieltere internationale Unterstützungsleistungen“ umsetzen.
In einer eigenen Aussendung von Samstag nahm auch Greenpeace Österreich in die Pflicht: „Während Österreich jährlich bis zu 4,7 Milliarden Euro für klimaschädliche Subventionen ausgibt, wird bei der Klimafinanzierung gespart. Österreich stiehlt sich somit aus der Verantwortung für die Klimakrise“, wurde Jasmin Duregger zitiert, Klima- und Energieexpertin bei Greenpeace in Österreich.
Österreich liege bei der Klimafinanzierung hinter anderen Industrie-Staaten, das solle sich ändern. 2020 seien etwa rund 29 Euro pro österreichischem Staatsbürger dafür aufgewandt worden, während Deutschland im Vergleich rund 94 Euro pro Kopf geleistet habe. „Österreich und die EU dürfen nicht weiter die Augen vor ihrer historischen Verantwortung verschließen und müssen die Finanzierung zusichern“, so Duregger.
Konkrete Pläne für konkrete Ziele…
Die Allianz für Klimagerechtigkeit mahnte im Vorfeld der COP27 erneut, die Klimaschutz-Pläne der Staaten so zu gestalten, dass die globale Klimaerwärmung bis zum Jahr 2100 nicht die 1,5-Grad-Celsius-Marke gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter überschreitet. Das ist das Ziel, auf das sich 195 Staaten und die Europäische Union 2015 im Paris geeinigt haben. Doch mit den derzeitigen Plänen der Nationalstaaten steuern wir laut Greenpeace auf 2,4 Grad Klimaerwärmung zu, was laut wissenschaftlicher Erkenntnisse fatale Kaskaden-Effekte für Ökosysteme und Klima mit sich bringen könnte.
Laut Befund von Greenpeace hinkt Österreich bei Klimaschutzmaßnahmen hinterher. Die Ziele, die sich Österreich auferlegt hätten, etwa eine Reduktion von Treibhausgasen bis 2030 um 48 Prozent gegenüber dem Jahr 2005, reichten nicht aus, um einen fairen Beitrag zum Pariser Klimaziel zu leisten. Die NGO fordert unter anderem eine Reduktion um 64 Prozent, basierend auf Berechnungen des Wegener Center für Klima und Globalen Wandel der Universität Graz.
Die Allianz fordert, dass Staaten konkrete Zielpfade vorlegen, der ihren Weg zur ebenfalls in Paris vereinbarten Klimaneutralität mitsamt wichtigen Etappenzielen aufzeigt. Um das zu erreichen, ist es aus Sicht von NGOs nötig, fossilen Energieträgern möglichst schnell den Rücken zuzukehren. Eine Zusicherung, dass das passieren wird, will Greenpeace auch in der diesjährigen Abschlusserklärung der Klimakonferenz stehen haben.
… und Verantwortung der Hauptverursacher
Ein großes Thema der Konferenz ist auch Verantwortung – jene der Hauptverursacher der Klimakrise seit der Industriellen Revolution gegenüber Ländern des Globalen Südens, die davon überproportional betroffen sind und weniger dazu beigetragen haben, und jene der aktuellen Machthaber und Entscheidungsträger gegenüber nachkommenden Generationen. NGOs fordern eine Einrichtung, durch die Länder des Globalen Südens für Schäden und Verluste finanziell entschädigt und dabei unterstützt werden, sich gegen Auswirkungen der Klimakrise zu wappnen. Wer mehr Treibhausgase verursacht, soll finanziell mehr beitragen.
Bereits bis 2020 hatten Industrie-Nationen zu diesem Zweck 100 Milliarden US-Dollar für die am stärksten betroffenen Länder versprochen, allerdings letztendlich nur rund 83 Milliarden geliefert. Greenpeace fordert konkrete, langfristige Pläne zur Klimafinanzierung. Die Allianz hat außerdem nachkommende Generationen im Blick: Junge Menschen sollen „auf allen Ebenen echte Teilhabe“ an politischen Entscheidungsprozessen bekommen, fordert die NGO-Plattform.
(pma)
Titelbild: ZackZack/ Christopher Glanzl