Trotz Briefing:
Kanzler Karl Nehammer war am Mittwoch zum zweiten Mal vor den ÖVP-Untersuchungsausschuss geladen. Trotz eines Briefings als Innenminister will er nicht über ein Projekt im Innenministerium informiert gewesen sein.
Wien, 30. November 2022 | Am Mittwochvormittag war Kanzler Karl Nehammer zum zweiten Mal im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss vorstellig. Schon nach der ersten Befragung, die wenig ertragreich ausfiel, war es wahrscheinlich gewesen, dass Nehammer erneut vorgeladen würde.
Briefing aber “Keine Wahrnehmung”
NEOS-Fraktionsführerin Stefanie Krisper wollte von Nehammer wissen, welche Wahrnehmung er zu einem Projekt mit dem “International Centre for Migration Policy Development” gehabt habe. Das Projekt, welches freiwillige Rückführungen nach Nigeria fördern sollte floppte. Mit 270.000 wurde das Projekt, dem Ex-ÖVP-Chef Michael Spindelegger vorsteht, vom Innenministerium gefördert. Nur eine einzige Person reiste freiwillig zurück. “Keine Wahrnehmung”, antwortete Nehammer. Doch Krisper hatte ein Dokument in der Hinterhand, das Nehammers Aussage zweifelhaft erscheinen ließ. Aus dem Dokument ging hervor, dass er als Innenminister von Mitarbeitern des Innenministeriums (BMI) dazu gebrieft wurde. Auf Krispers Nachfrage verteidigt sich Nehammer: „Informationen zu bekommen heißt nicht, dass man sie auch gesehen oder gelesen hat“
Vage Aussagen
Ebenso Thema: der ehemalige Sebastian Kurz-Sprecher Gerald Fleischmann. Der SPÖ-Abgeordnete Christoph Matznetter fragte, ob er mit dem kürzlich zum ÖVP-Kommunikationschef bestellten Fleischmann im Untersuchungszeitraum über Umfragen und Inserate gesprochen hatte. Nehammer konnte es “weder bestätigen noch ausschließen”. Ähnliches gilt für Umfragen beim Institut Demox, auch hierüber habe Nehammer mit Fleischmann gesprochen – ohne konkrete Erinnerung. Gegen Fleischmann laufen Ermittlungen wegen des Beinschab-Tools. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Eingeschränkte Wahrnehmungen
Der SPÖ-Mann klopfte Bundeskanzler Nehammer danach zu dessen Wahrnehmung bezüglich Inseratenvergaben und Gegengeschäften ab. So ging es etwa darum, ob sich Nehammer als Innenminister an Stundungen und Inseratenvergaben von und an die Agentur “Media Contacta” erinnern könne, sowie ob er als Innenminister für die hohen Inserate des BMI an die Mediengruppe “Österreich” verantwortlich gewesen sei. Sowohl 2020 und 2021 war das Innenministerium dasjenige Ministerium, das das meiste Geld für Inserate bei “Österreich” ausgegeben habe. Nehammer verwies auf klare Richtlinien im BMI zur Inseratenvergabe. Zu Unregelmäßigkeiten und Vorteilnahme der ÖVP habe er “keine Wahrnehmung”. Zwar habe er den Geschäftsführer der “Media Contacta” getroffen, könne sich allerdings nicht erinnern, ob es bei der Zusammenkunft um Inserate gegangen sei.
“Keine Wahrnehmung” hatte Nehammer desweiteren nicht nur dazu, ob das BMI Ressourcen für den EU-Wahlkampf der ÖVP zur Verfügung gestellt hatte, sondern auch, ob es ein bestimmtes Budget für Inserate im Magazin “Österreich sicher” gab. Auch dazu, ob jemand im Bundeskanzleramt oder Innenministerium zur Datenlöschung angeregt hatte, hatte Nehammer “keine Wahrnehmung.
Zahlreiche Verschleppungen
Obwohl der Vorsitz, diesmal anfangs nicht von Wolfgang Sobotka, sondern von Norbert Hofer (FPÖ) fast alle Fragen Matznetters als zulässig erachtete, wurde die Sitzung mehrmals unterbrochen. Grund dafür waren Geplänkel über die Geschäftsordnung, die vor allem von ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger und seinem SPÖ-Pendant Jan Krainer eingeleitet wurden. “Diese Befragung ist eine einzige Farce”, meinte Krainer zur Befragung Hangers. “Das hab ich ma bei dir auch scho oft dacht”, stichelte Hanger zurück.
Geringe Erwartungen
Schon aus den Eingangsstatements der Fraktionen ging klar hervor: Hoch lagen die Erwartungen bereits vor der Befragung des Kanzlers bei keiner Partei. Während die Opposition eine erneute Verzögerung der Fragerunden durch Geschäftsordnungszwischenrufe befürchtete, den “Gehalt der Aufklärung” bei bekannten ÖVP-Personen schon in der Vergangenheit “überschaubar” fand und bei der ÖVP ein “dünnes Selbstreflexionsbewusstseins” verortete, glaubte auch ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger nicht an erhellende Erkenntnisse.
(dp)
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