Das ist eine Unterüberschrift
Niederösterreichs ÖVP-Landeshauptfrau fordert härtere Strafen und hält Sondergipfel zu Klima-Straßenblockaden ab. Dabei gab es in Niederösterreich bisher keine einzige Klebe-Aktion.
Wien/St. Pölten, 09. Jänner 2023 | Am Dienstag veranstaltet die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) einen Sicherheitsgipfel zu „Klima-Blockaden“. Eingeladen hat sie Vertreter von Polizei, Rotem Kreuz und Feuerwehr. Gehen soll es um Klima-Kleber und Verkehrs-Blockaden durch Aktivisten.
Doch bereits eine erste Google-Suche macht stutzig. Eine Nachfrage bei der Landespolizeidirektion Niederösterreich bestätigt: In Niederösterreich gab es bisher keine einzige Aktion, bei der sich Klima-Aktivisten auf Straßen geklebt und diese blockiert hätten. Lediglich bei einer Aktion der Gruppe „Letzte Generation“ wurde das Landtagsgebäude in St. Pölten mit abwaschbarer Farbe angeschüttet.
Kampf um Pendlerstimmen
Der Hintergrund des Sicherheitsgipfels am Dienstag sind die Klima-Blockaden, die in dieser Woche in Wien stattfinden sollen. Warum aber veranstaltet die Landeshauptfrau eines anderen Bundeslandes deshalb einen solchen Aufwand?
„Ich sehe keinen Anlass dazu außer die bevorstehende Niederösterreich-Wahl“, sagt Florian Wagner, Sprecher der Aktivismus-Gruppe „Letzte Generation“ gegenüber ZackZack.
Auf eine Presseanfrage von ZackZack kam vom Land Niederösterreich keine Antwort. Die Vermutung liegt nahe, dass es Mikl-Leitner und ihrer Partei um die Stimmen der Pendler zwischen Wien und Niederösterreich geht. Für Wagner wirke es, als wäre das Motto von Mikl-Leitner ‚Angriff ist die beste Verteidigung‘: „Wenn man keinen richtigen Klimaschutz macht, dann will man die diskreditieren, die die Botschaft überbringen, damit im Endeffekt auch die Botschaft diskreditiert wird.“
Er wirft der ÖVP Niederösterreich vor, eine viel zu autofreundliche Politik zu machen und zu wenig in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs zu investieren. „Ich finde das total verantwortungslos von Frau Mikl-Leitner. Es ist eine Politik, die gegen das Leben geht.“ Außerdem schlägt er der Landeshauptfrau anlässlich des Sicherheitsgipfels vor, lieber „mit uns statt über uns“ zu reden.
Gefährdung durch Blockaden fraglich
Dass mit den Blockaden Menschenleben gefährdet würden – Mikl-Leitners Hauptargument für den Gipfel und auch für die härteren Strafen für Aktivisten, die sie fordert – bezeichnet Wagner als „Scheinargumentation“. Laut Mikl-Leitner habe es „überwältigende Zuschriften und Anrufe von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Rettungs- und Einsatzorganisationen, die sich massive Sorgen machen” gegeben, dass sie Personen nicht rechtzeitig ins Spital bringen oder nicht schnell genug an Unfallstellen sein könnten.
Die Berufsrettung Wien – die ja damit bisher durch die regelmäßigen Klebeaktionen in der Hauptstadt am häufigsten konfrontiert ist – sagt auf Nachfrage von ZackZack, dass ihre Rettungsfahrzeuge bisher keine Probleme hatten durch die Blockaden zu kommen. Es bedeute einzig einen Mehraufwand für die Rettungskräfte, da sie von der Polizei zu Klebe-Aktionen gerufen werden und diese dort unterstützen oder die Aktivisten versorgen, wie es auch bei Demonstrationen der Fall wäre.
Die einzigen, die gefährdet seien, seien die Aktivisten selbst, da sie bei ihren friedlichen Protesten den Aggressionen der Autofahrer ausgesetzt seien, so widerum Wagner. Bei jeder Klebe-Aktion mache die Gruppierung Platz für Rettungskräfte. Jeder Stau, der durch Verkehrsunfälle verursacht werde würde, würde eine wesentlich größere Zeitverzögerung verursachen.
Letzte Generation: Gefängnisstrafen schrecken nicht ab
Bereits am Samstag forderte Mikl-Leitner härtere Strafen für Klima-Kleber. Ähnlich wie in Deutschland solle ihrer Meinung nach auch eine Gefängnisstrafe möglich sein und nicht nur wie bisher eine Geldbuße.
„Das würde niemanden abschrecken“, meint Wagner dazu. „Wir fürchten uns nicht vor Repressionen. Das Ausmaß der Klimakatastrophe ist unseren Leuten so bewusst, dass sie dafür auch ins Gefängnis gehen würden. Das wird niemanden abhalten. Man hat in Deutschland gesehen, dass es zu mehr Solidarität mit uns führt, wenn jemand für den Protest ins Gefängnis geht. Für jeden, der ins Gefängnis geht, setzen sich zwei Neue auf die Straße.“
“FPÖ wie kleines Kind”
Auch die FPÖ hatte am Samstag gegen die angekündigten Klima-Blockadewoche gewettert und die Aktivisten als Klimaterroristen bezeichnet. Wagner sieht hier keine Möglichkeit für einen Dialog: „Die FPÖ leugnet ja die Klimakrise, sie macht wie ein kleines Kind die Augen zu. Dass sie gegen uns hetzen, fördert die Polarisierung, aber es nutzt uns eben auch sehr. Durch die Aufmerksamkeit der Boulevardmedien generiert der Algorithmus Reichweite und dann berichten auch seriöse Medien über unsere Inhalte.”
Bei den Klima-Blockaden, die die ganze Woche laufend in Wien stattfinden sollen, geht es der “Letzten Generation” um “rasche und tiefgreifende Maßnahmen wie einen Förderungs- und Verbrennungsstopp fossiler Brennstoffe” und um einfache Maßnahmen wie Tempo 100 auf der Autobahn. Maßnahmen, um den globalen durchschnittlichen Temperaturanstieg auf deutlich unter zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen, wird von vielen Staaten viel zu schleppend umgesetzt. Auch in Österreich.
(sm)
Titelbild: TOBIAS STEINMAURER / APA / picturedesk.com