Die Kanzler-Rede von Karl-Nehammer (ÖVP) sorgt in der schwarz-grünen Koalition weiterhin für Verstimmungen. Jüngster Anlass ist eine Meinungsverschiedenheit beim Thema Ärztemangel.
Wien | Die Rede von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) von vergangener Woche sorgt weiterhin für angespannte Stimmung in der Koalition aus ÖVP und Grünen. Nachdem Nehammer die Umweltpartei schon mit dessen Aussagen zum Verbrennungsmotor gereizt hatte, sahen sich die Grünen am Dienstag erneut zu einem kritischen Kommentar in der Öffentlichkeit veranlasst. Grund dafür war diesmal der Sinneswandel von Kanzler Nehammer beim Thema Ärztemangel.
Standortzwang für Jungärzte
Denn wie aus der Rede des Kanzlers hervorging, kann dieser sich nun doch vorstellen, in Österreich ausgebildete Ärzte künftig zum Arbeiten in Österreich zu verpflichten. Der Regierungschef griff damit eine Forderung des burgenländischen SPÖ-Chefs Hans-Peter Doskozil auf. Auch die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) konnte sich zuletzt einen solchen Schritt durchaus vorstellen. Nehammer sprach von einer „Berufspflicht für die, die das Studium in Österreich abschließen, um der Gesellschaft etwas zurückzugeben“.
Grüne dagegen
Der Gesundheitssprecher der Grünen, Ralph Schallmeiner, konnte dem Kanzler-Vorstoß nicht viel abgewinnen. Er sprach laut „Ö1 Morgenjournal“ lieber von einer Attraktivierung des Arbeitsplatzes für Kassenärzte. Denn diese fehlten in Österreich besonders. Man hätte nicht zu wenige Ärzte in Österreich. Man müsse sie nur an die richtigen Positionen bekommen. Derzeit seien aus laut Auskunft der Ärztekammer rund 300 Kassenstellen, die besetzt werden müssten. In eine ähnliche Kerbe schlägt auch die Ärztekammer, die in den seit Jänner 2023 andauernden Wortgefechten ums Gesundheitssystem bereits verlautbarte: „Mit Zwang lässt sich nichts erreichen und wird sich nichts verbessern!“
Rechtsexperten geteilter Meinung
Ob die von Nehammer aufgegriffene Berufspflicht für in Österreich ausgebildete Jungärzte überhaupt rechtskonform wäre, sorgte für eine öffentliche Meinungsverschiedenheit unter Rechtsexperten der Uni Innsbruck. Die beiden Kollegen Walter Obwexer und Peter Hilpold kamen zu unterschiedlichen Einschätzungen was die Vereinbarkeit mit EU-Recht anbelangt. Während Obwexer mit einem Verweis auf Südtirol von einer Machbarkeit sprach, bezweifelte Hilpold, dass ein Berufszwang etwa für Jungärzte aus dem europäischen Ausland mit EU-Recht vereinbar wäre.
Das sei nur bei geförderten Praktika möglich, bei denen der Staat Österreich Medizinstudenten die Studienjahre finanziert und sie im Anschluss dafür an den Standort Österreich bindet.
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