Die Anklage gegen den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump war am Mittwoch Inhalt zahlreicher internationaler Pressekommentare:
Washington |
“La Vanguardia” (Barcelona):
“Das Verfahren gegen Trump ist eine Feuerprobe für die Demokratie der USA. Der 45. US-Präsident ist nun ein gewöhnlicher Bürger, der strafrechtlich verfolgt werden kann. Aber es ist offensichtlich, dass er viel mehr als ein gewöhnlicher Bürger ist. Mit der Anklage gegen einen ehemaligen Chef des Weißen Hauses hat das Land eine rote Linie überschritten. Viele fragen sich, ob Trump wie ein normaler Bürger behandelt werden sollte oder ob es nicht besser gewesen wäre, ein Verfahren gegen einen Präsidentschaftskandidaten zu vermeiden, der alles tun wird, um die Situation zu instrumentalisieren. Er wird versuchen, daraus Wahlkampfkapital zu schlagen und Demonstrationen zu organisieren, die zu Gewalt führen könnten. (…)
Der Prozess kann sich lange hinziehen, und Trump bereitet eine Verteidigung vor, die sich auf das Bestreiten aller Vorwürfe, auf Verschleppung und auf eine Opferrolle stützt. Nichts hindert ihn rechtlich daran, seinen Wahlkampf sogar nach einer eventuellen Verurteilung fortzusetzen. Das wird eine Zunahme der Polarisierung und Spannungen verursachen, die monatelang anhalten werden.”
“De Standaard” (Brüssel):
“Donald Trump ist wieder einmal da, wo er am liebsten ist: im Zentrum der Aufmerksamkeit. Den Grund für die Aufregung – eine strafrechtliche Anklage im Zusammenhang mit einem Sexskandal – nimmt er dafür gern in Kauf. Trump sieht die Klage in erster Linie als politische Möglichkeit, seine Wiederwahl im kommenden Jahr zu unterstützen.
Besonders raffiniert ist sein Plan nicht gerade. Trump wird sich als Opfer eines politischen Prozesses darstellen. Die Hälfte der Amerikaner wird diese Tirade als erbärmlich abtun, die andere Hälfte wird ihr (etwas) Glauben schenken. Letzteres ist für Trump wichtig. Wenn es ihm gelingt, das rechte Amerika einigermaßen davon zu überzeugen, dass er wegen seiner Ideen verfolgt wird, werden seine republikanischen Gegner in den Vorwahlen seine Opferrolle berücksichtigen müssen. Vor allem sein direkter Konkurrent Ron DeSantis wird die Debatten mit angezogener Handbremse führen müssen: Trump unverhohlen anzugreifen, könnte als Nestbeschmutzung angesehen werden.”
“Verdens Gang” (Oslo):
“Alle Augen sind wieder auf Donald Trump gerichtet. Alles dreht sich um ihn. Der frühere Präsident ist in 34 Punkten angeklagt worden. Das wird er zu seinem eigenen Vorteil nutzen. Vor der Anklage war unsicher, ob er der Kandidat der Republikaner für die Präsidentschaftswahl 2024 wird. Jetzt gibt es keinen Grund mehr, daran zu zweifeln. Die Anklage hat Trump politisch nicht geschwächt. Er ist unter republikanischen Wählern nun populärer als vor einem Monat. Alles deutet darauf hin, dass Trump 2024 der republikanische Präsidentschaftskandidat sein wird. Fast niemand in der Republikanischen Partei, die sich einst um Recht und Ordnung kümmerte, wagt es, zu widersprechen. Ob etwas wahr oder unwahr ist, bedeutet in der Partei offenbar nicht mehr so viel. Trump ist ihr Mann, ganz egal. Es spielt gewiss keine Rolle, was er getan hat.”
“Wall Street Journal” (New York):
“Trump wird für ein Verhalten angeklagt, das im Jahr 2016 stattfand. Bundesstaatsanwälte haben diese Aktivitäten bereits untersucht und offenbar beschlossen, sie fallen zu lassen. Sieben Jahre später (…) hat ein gewählter Staatsanwalt der Demokraten Anklage gegen Trump erhoben, und zwar in einem Fall, der möglicherweise mitten in den Vorwahlen 2024 zu einem Ergebnis kommen könnte.
Die Frage, die uns immer wieder durch den Kopf geht, ist, ob dieser Fall auch gegen einen anderen Angeklagten als Donald Trump vorgebracht worden wäre. Es ist schwer, anders als mit Nein zu antworten. Wie sich der Fall auf Trumps Kandidatur 2024 auswirken wird, kann nur vermutet werden. Vielleicht ist die bessere Frage, wie er sich auf die öffentliche Meinung über die Justiz auswirken wird.”
Titelbild: ED JONES / AFP / picturedesk.com