Reinhold Lopatka ist der EU-Notnagel der ÖVP. Aber er ist noch mehr: ein versierter Sicherheitspolitiker und einer der wichtigsten Reformer des Parlaments.
Niemand will für die ÖVP die Europawahl verlieren. Karoline Edtstadler will nicht. Alexander Schallenberg will nicht. Also bekommt den Job einer, der der Partei schon oft gedient hat: Reinhold Lopatka. Bei der Entscheidung dürfte der Umstand, dass sich Lopatka in Fragen der Sicherheit und der europäischen Einigung weit besser auskennt als die Europaministerin und der Außenminister, eine untergeordnete Rolle gespielt haben.
Seit Jahrzehnten ist Lopatka in der ÖVP der Mann für alles. Als Generalsekretär hielt er die Partei für Kanzler Schüssel auf Linie. Als Staatssekretär war er irgendwie umtriebig. Aber Lopatka hielt eine dritte Schlüsselfunktion: den ÖVP-Klubobmann im Nationalrat. Dort hat er mehr geleistet als öffentlich bekannt ist.
U-Ausschuss
2014 war Lopatka schon ein Jahr Chef des ÖVP-Klubs. Ich hatte das Wort der SPÖ, uns Grüne bei der großen Reform des parlamentarischen U-Ausschusses zu unterstützen. Andreas Schieder als Klubobmann und Otto Pendl als starker Mann des Klubs hielten. Aber wir brauchten die zwei Drittel-Mehrheit und damit die ÖVP.
Es war überraschend leicht, Lopatka persönlich zu überzeugen. Für ihn gab es zwei Gründe, uns zu unterstützen. Erstens war es mir gemeinsam mit Gabi Moser ein paarmal gelungen, die ÖVP durch monatelangen Druck in Zustimmungen zu U-Ausschüssen hinein zu drängen. Der Partei hatte der ebenso lange wie fruchtlose öffentliche Widerstand gegen die Aufklärung von Affären und Skandalen nicht gut getan. Lopatka wollte ihr das ersparen.
Der zweite Grund war noch einfacher: Lopatka fand als Abgeordneter, dass das Kontrollrecht das Recht der Opposition und damit der Minderheit sein sollte.
Lopatkas Kopf
In der ÖVP sahen das viele anders. Der zögernde Parteichef Michael Spindelegger stand im Juli 2014 kurz vor dem Rücktritt und hatte andere Sorgen. Der Großteil des ÖAAB war verlässlich auf der Gegenseite, die Wirtschaftsliberalen eher bei ihrem Klubobmann. Gleich nach der Entscheidung erzählte mir Lopatka: „Ich bin in die Klubsitzung gegangen und habe gewusst, es geht um meinen Kopf. Es hat nicht gut ausgeschaut. Aber dann hat mich der Bauernbund überraschend gerettet.“ Letztlich verdankt das österreichische Parlament seinen großen Schritt zu echter Kontrolle Lopatka und dem Bauernbund.
Reinhold Lopatka hätte es als Klubobmann ohne diesen riskanten Versuch leichter gehabt. Aber das Parlament war ihm im Juli 2014 das Risiko wert. Ich rechne ihm das heute noch hoch an.
Es stimmt: Reinhold Lopatka hat mehrere Seiten. Edtstadler und Schallenberg haben wie Sobotka, Nehammer, Karner und Stocker nur die eine. Auch daher ist mir persönlich Lopatka lieber.
p.s.: (10.20 Uhr) Mit Edstadlers, Nehammers und Fleischmanns Hilfe ist wahrscheinlich, dass Lopatka im Wahlkampf mehr über “Ausländer” als über “Europa” reden muss. Ich würde das schade finden.
Titelbild: EVA MANHART / APA / picturedesk.com