In Italien bereitet derzeit ein Ausbruch des Dengue-Fiebers Sorgen. Das große Problem: Die Infizierten wurden im eigenen Land angesteckt – eine Folge des Klimawandels. ZackZack erklärt das Geschehen.
Einst war sie eine exotische Mücke, nun gehört sie fast schon zu den einheimischen Insekten. Die asiatische Tigermücke fühlt sich durch die höheren Temperaturen in Europa wohl. Mit ihr finden auch neue Krankheiten, welche durch die Mücke übertragen werden, Platz in unseren Breiten. So etwa das Dengue-Fieber vom gleichnamigen Dengue-Virus, der nun in Italien Sorgen bereitet.
In Fano, einer kleinen Küstenstadt in der italienischen Region der Marken, 56 Kilometer südlich von Rimini, wurden mehr als hundert neue Dengue-Fälle gemeldet, weitere in der Lombardei, Emilia-Romagna, Venezien, Abruzzen und Toskana. Dengue-Fälle in Europa sind an sich nichts Neues, auch in Österreich kommt es jährlich zu Infizierten – Menschen, die aus Risikoländern zurückreisen.
Italien und andere südeuropäische Länder zeigen nun aber vor, was in ein paar Jahren auch in Österreich Gewissheit sein könnte: Nicht mehr nur einzelne Reisende werden im Ausland gestochen und kehren infiziert zurück, sondern ganze Ortschaften fallen den Mücken und dem Dengue-Fieber zu Opfer. Wie die Situation aktuell in Italien ist, ob auch Österreich eine Dengue-Pandemie riskiert und wie genau der Klimawandel den Mücken hilft, erklärt ZackZack.
Die Lage in Italien
„Vom 1. Januar bis zum 8. Oktober 2024 wurden 625 bestätigte Dengue-Fälle dem nationalen Überwachungssystem gemeldet“, erklärt das italienische nationale Institut für Gesundheit in einem Informationsschreiben. 452 davon stünden im Zusammenhang mit Auslandsreisen, 173 davon seien autochthone, also einheimische Fälle. Besonders problematisch sei die Situation rund um die Stadt Fano. In der Zone sind laut letztem Stand 124 Menschen mit dem Virus infiziert. Das ist der schlimmste jemals gemessene Dengue-Ausbruch in Italien.
Die Stadt versucht, dem Problem mit Schädlingsbekämpfungsmitteln beizukommen. Ersten Anzeichen zufolge konnte die Ansteckungsrate damit nur teilweise gebremst werden: Laut den Daten bis Stand 1. Oktober gab es in der Stadt noch 102 bestätigte Fälle, in den vergangenen sieben Tagen also 22 neue Infizierte. Weitere Ausbrüche wurden in der Emilia-Romagna und der Lombardei festgestellt, mit jeweils 30 und 8 bestätigten Dengue-Fällen. In einer Woche sind die Dengue-Infizierten in Italien um 53 Personen gestiegen – 43 Angesteckte davon sind autochthone Fälle. Es sind also vor allem einheimische Infektionsherde, die die Zahlen nach oben treiben – das ist ein großes Problem. Die regionalen Behörden beruhigen, die Situation sei unter Kontrolle. Nicht alle teilen diese Meinung.
Für die italienischen Tourismusregionen könnte sich der Dengue-Ausbruch als katastrophal erweisen. Das britische Reiseportal „fit for travel“ warnte bereits vor Reisen in die Region. Touristen würden ein „mögliches Risiko von Dengue-Fieber“ in Kauf nehmen, wenn sie in die betroffenen Gebiete Italiens reisen würden.
Das österreichische Gesundheitsministerium sieht auf Anfrage von Italien ausgehend keine größere Gefahr für Österreich: „Gesundheitsbezogene Reisewarnungen für Italien in Hinblick auf Dengue-Fieber sind aktuell nicht angedacht.“ Bislang sei kein österreichischer Tourist infiziert aus Italien zurückgekehrt.
Massimo Ciccozzi, Epidemiologe am Biomedizinischen Campus Rom moniert, dass das Dengue-Virus unterschätzt und unzureichend darüber informiert wurde. Im Nachhinein sei eine Rettung der Situation schwer. Lediglich ein Kälteeinbruch könne die Situation entschärfen.
Die Mücke hinter der Krankheit
Übertrager des Dengue-Fiebers sind bestimmte Mücken der Aedes-Gattung. Weltweit sei der Hauptträger der Krankheit die Gelbfiebermücke, diese sei für den Ausbruch in Italien jedoch nicht verantwortlich, erklärt Dr. Karin Bakran-Lebl. Sie ist Gelsenexpertin bei AGES, die österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit. „In Europa wird Dengue von der Asiatischen Tigermücke übertragen. Diese wurde vor einigen Jahrzehnten in Südeuropa eingeschleppt und breitet sich seitdem immer weiter nach Norden aus“, erklärt die Expertin.
Tigermücken seien eher kleine Gelsen, charakteristisch sei ihr schwarz-weißes Streifenmuster auf Beinen und Hinterleib. Einzigartig in unseren Breitengraden sei der weiße Längsstreifen am sonst schwarzen Rückenschild, den habe in Österreich sonst keine Art. „Besonders lästig ist, dass sie auch bei 30° in der prallen Sonne stechen, während die meisten heimischen Gelsen eher in der Dämmerung aktiv sind”, so Bakran-Lebl. Eine asiatische Tigermücke allein genüge jedoch nicht für einen Krankheitsausbruch, drei Faktoren müssen zusammenkommen: „Allgemein muss die Tigermücke in der Ortschaft vorhanden sein und auch das Dengue-Virus. Dann muss die Krankheit auf eine Mückenpopulation übertragen werden, eine Mücke muss also einen infizierten Reiserückkehrer stechen.“
Drittens brauche es warme Temperaturen: „Das Virus benötigt eine gewisse Zeit, um sich in der Gelse derart zu vermehren, sodass es durch einen Stich weitergegeben werden kann”, erklärt die Stechmückenforscherin. Je wärmer es ist, desto weniger Zeit benötige es dafür. Ist die Temperatur nicht hoch genug, sterbe die Gelse, bevor sie das Virus übertragen kann. Die Lebenserwartung eines Mückenweibchens liege laut Bakran-Lebl bei etwa einem Monat, wobei auch das von der Temperatur abhänge.
Die Lage in Österreich
Laut Thomas Neubauer, Pressesprecher des österreichischen Gesundheitsministeriums, wurden mit Stand 7. Oktober 2024 „in diesem Jahr 174 Erkrankungen mit Dengue-Fieber in Österreich über das epidemiologische Meldesystem (EMS) gemeldet.“ All diese Personen seien im Ausland infiziert worden, bisher gab es in Österreich noch keinen bestätigten autochthonen Fall. Das heißt, zurzeit ist man in Österreich noch in Sicherheit, die drei von Bakran-Lebl genannten Faktoren sind nicht erfüllt. Die Mücke selbst gibt es aber bereits im Land: „Vor etwa 10 Jahren wurde sie das erste Mal in Österreich nachgewiesen. In den darauffolgenden Jahren gab es immer wieder Einzelfunde dieser Art bei uns, seit etwa 2 Jahren bestehen etablierte (überwinternde) Populationen in Wien und Graz und vermutlich wird sie sich auch in Linz etablieren“, so die AGES-Expertin: „Derzeit ist das Risiko, sich innerhalb von Österreich mit Dengue zu infizieren, sehr gering. In Zukunft wird es aber sicher steigen”, lautet ihre Prognose.
Mücken mögen’s warm
Früher waren Gelsen eines der wenigen nervigen Übel des Sommers. Inzwischen muss man aber oft schon im März und bis in die späten Herbstmonate wild um sich her klatschen – in der Hoffnung, die kleinen wendigen Blutsauger zu erschlagen. Das liege laut der Gelsenexpertin mitunter am Klimawandel. Die steigenden Temperaturen geben den Insekten mehr Zeit und Kraft.
Eigentlich sei die Tigermücke eine tropische beziehungsweise subtropische Art, die nördlich der Alpen nichts verloren habe: „Bei dieser Art überwintern nur die Eier, diese sterben, sobald es mehrere Tage Minus-Temperaturen hat. Durch höhere Temperaturen im Winter können die Tigermücken nun auch in Gebieten überleben, in denen dies vor einigen Jahrzehnten nicht möglich war“, so die Forscherin. Insekten, die sich also durch frostfreie Winter bei uns festsetzen können, anstatt jedes Jahr aufs Neue abzusterben und gegebenenfalls wieder importiert zu werden. Dadurch können sie in der nächsten Saison wieder früher auftreten.
Auch im Sommer profitieren Gelsen und andere Insekten von der Hitze: „Wärmere Temperaturen verkürzen die Entwicklungszeiten der Larven. So können in einem Jahr mehr Generationen entstehen, die Populationsgröße nimmt schneller zu“, erklärt Bakran-Lebl.
Der Krankheitsverlauf
Informationen des österreichischen Gesundheitsministeriums zufolge treten Symptome meist zwischen drei und zehn Tage nach dem Mückenstich auf, maximal nach 14 Tagen. Typisch für die Krankheit sind Fieber, Ausschlag und Körper, Knochen-, Gelenks- oder Muskelschmerzen. Es gibt vier Varianten des Dengue-Fiebers: Nach einer Ansteckung mit einer Variante ist man lebenslang immun gegen diese, dafür riskiere man danach bei einer anderen Variante einen schwereren Krankheitsverlauf. Wirksames Medikament gegen das Dengue-Virus gibt es bislang keines, lediglich die Symptome können behandelt werden. Eine Ansteckung kann tödlich enden.
Schlechte Zukunftsaussichten
Der Dengue-Ausbruch in Italien zeigt, in wie vielen Bereichen der Faktor Klimawandel eine Rolle spielt. Die neuen Temperaturen bringen das Gleichgewicht unserer jahrhundertealten Ökosysteme durcheinander, niemand entgeht den Schäden. Man erkennt es an exotischen Insekten, die sich in unseren Breitengraden festsetzen und neue Krankheiten mit sich bringen. Man erkennt es aber auch am Insektenbefall in der Landwirtschaft. Genau wie die asiatische Tigermücke profitieren auch heimische Insekten vom frühen Saisonstart und haben somit mehr Generationen Zeit, die Ernte auf den Feldern zu befallen.
Der Klimawandel wird von vielen Politikern, Wirtschaftstreibenden und Meinungsmachern als abstrakte Übertreibung heruntergespielt. Die Symptome des Klimawandels sind aber konkret und allgegenwärtig. Eine natürliche Besserung der Lage ist nicht realistisch, Bakran-Lebl erwartet eher das Gegenteil: „Wir werden in den nächsten Jahren sicher noch weitere neue Tierarten bei uns beobachten. Tiere, die im Mittelmeergebiet ansässig sind, werden sich immer weiter nach Norden ausbreiten.“ Noch hat Österreich das Privileg, über Dengue-Infektionsherde in der Zeitung zu lesen – in der Ausland-Spalte. Es ist eine Frage der Zeit, bis das nicht mehr der Fall ist.
Titelbild: Pixabay “Another Simon” / Montage ZackZack