Warum die neofaschistischen Ideologen um Musk und Co. Empathie und Mitgefühl als Teufelszeug ansehen.
Wenn etwas an den tonangebenden faschistischen Eliten der USA lobenswert ist, dann ihre ungeschminkte Offenheit. „Die fundamentale Schwäche der westlichen Zivilisation ist Empathie“, sagte Elon Musk kürzlich in einem Interview. Dass wir mit Anderen mitfühlen, ist aus Sicht von Musk gewissermaßen ein Bug – also ein „Fehler“ – in unserem Betriebssystem. Einfühlungsvermögen und die Fähigkeit, Mitleid zu empfinden, ist natürlich nicht nur eine westliche, sondern eine menschliche Eigenart.
Aber wer kümmert sich schon um Details. Außerdem hat er in gewissem Sinne schon recht, es gibt auch lange kulturelle Traditionen, die Empathie als etwas Erstrebenswertes erscheinen lassen, Traditionen, die auch die westliche Zivilisation prägten. Weshalb Musks Kamerad, der Tech-Mafiosi Peter Thiel ja nicht nur die Demokratie ablehnt, sondern im TV dozierte, dass eigentlich alles Beklagenswerte mit dem Christentum begann. Das Christentum sei quasi „woke“, weil „es immer die Seite der Opfer einnimmt“. Mitleid und Barmherzigkeit, die Milde gegenüber den Erniedrigten und Beladenen, und eine gewisse Strenge gegenüber den Starken und Mächtigen, das ist Teufelszeug – und habe eben spätestens mit Jesus angefangen (in Wirklichkeit mit den jüdischen Propheten, die so ketzerisches Zeug verbreiteten wie „du sollst deines Bruders Hüter sein“ oder „die Fremdlinge sollt ihr nicht bedrängen“).
Was Faschisten und Neoliberale verbindet
Die Anbetung der Stärke und die Verachtung gegenüber sozialen Instinkten ist das, was Neoliberale und Faschisten verbindet. Die neumodische Allianz von Faschos und Libertären wird dadurch erheblich vereinfacht. Musk, Thiel, Vance, Trump & Co. sind überzeugt davon, Freiheit heiße, dass dem Starken keine Grenzen gesetzt werden sollen, weshalb den weniger Starken möglichst wenige Rechte zugestanden werden dürfen – denn sie würden sie nur nützen, um die Starken einzuschränken.
Diese Ideologie wird mit der Behauptung aufgehübscht, dass Rücksichtnahme auf die Schwachen die Entwicklung einer Gesellschaft nur behindere, wohingegen freie Bahn für die Starken zu mehr Prosperität und Leistungsfähigkeit führen würde. Dass also Mitgefühl und Barmherzigkeit am Ende sogar für die Schwächlinge schlecht ist, denn am Ende werden auch sie mehr davon haben, wenn wir uns dank der Starken kraftvoller entwickeln.
Gewissermaßen: Das Böse zeitige einfach nützlichere Ergebnisse.
Anbetung des Starken
Dahinter steht ein Amalgam von neo-nietzscheanischen Übermensch-Phantasien und einem Vulgär-Sozialdarwinismus, der Anleihen bei dumpfem Biologismus nimmt, ohne ihn überhaupt richtig zu verstehen. Charles Darwin und die Evolutionsbiologie haben in den Augen der Sozialdarwinisten ja die These vertreten, dass sich im genetischen Fortschritt „der Stärkere“ durchsetzt. Im Deutschen ist sowieso auffällig, dass Darwins Wendung vom „Survival of the fittest“ oft als „Überleben des Stärkeren“ übersetzt wird. Was es aber gar nicht heißt. Denn „Survival of the fittest“ heißt, dass sich in der evolutionären Konkurrenz jene Lebewesen durchsetzen, die am besten an ihre Lebensumwelt angepasst sind, also nicht „der Stärkere“ sondern „der am besten Angepasste“. Die Lebensumwelt des Menschen ist nun, neben der uns umgebenden Natur, vor allem der Mensch selbst. Wer wird aber am besten vorankommen und am sichersten überleben? Der, der überall Konflikte beginnt, nichts als Streit, Konkurrenz und Kräftemessen sucht, oder der, der eine perfekte Balance zwischen Erfolgsstreben und Kooperation hinbekommt? Der Mensch ist ein kooperierendes Tier, das am besten vorankommt, wenn es sich mit anderen zusammentut, mit ihnen an einem Strang zieht und dabei auch eine Intuition für die Bedürfnisse und Eigenarten des Anderen entwickelt. Deswegen sprechen zeitgenössische Evolutionswissenschaftler heute längst vom „kooperativen Gen“. Die faschistischen, sozialdarwinistischen Übermensch-Träume sind also längst als das entlarvt, was sie sind: als dümmliche Ideologie, die Menschen einreden will, dass Böswilligkeit und sogar Grausamkeit irgendwelche höheren Weihen verdienen, weil sie angeblich Vorteile für die Menschheit haben.
Ideologen wie Musk und Thiel singen das hohe Lied auf die Grausamkeit und die Unbarmherzigkeit und versuchen ihren Anhängern einzutrichtern, dass sie sich Mitleid, so sie dafür noch Reste verspüren, abtrainieren sollen.
Orwell schau runter: „Diktatur ist Freiheit“
Deswegen auch die Umwertung aller Werte, der sie stets das Wort reden: Rücksichtnahme, also ein Verhalten, das die allermeisten als Tugend ansehen würden, sei in Wirklichkeit eine Schwäche. Wer sich vom Leid anderer nicht berühren lässt, sei dagegen wirklich tugendhaft. Man solle stets den Nutzen für eine abstrakte „Menschheit“ im Auge haben, aber gegenüber dem einzelnen „Menschen“ ignorant sein. Alles wird auf den Kopf gestellt, weshalb auch in Orwellscher Manier alle Begriffe in ihr Gegenteil verkehrt werden. So sprechen Thiel und Co. von „Freedom Cities“, aber damit sind nicht Städte gemeint, in der die Menschen als Freie und Gleiche leben können, sondern im Gegenteil Sonderwirtschaftszonen, in denen Großkapital und Konzerne nicht durch Regeln behindert werden, die die Beschäftigten schützen. In der die Mächtigen schalten und walten können, wie sie wollen.
Die neofaschistische Ideologie der neuen US-Machthaber erweist sich am Ende als nichts anderes als eine Einübung in die Grausamkeit.
Titelbild: Miriam Moné