Sonntag, Juli 20, 2025

Die Lüge vom notwendigen Krieg

In den USA und Europa stimmen viele in den Kanon des Krieges gegen den Iran ein. Sie vergessen, dass es indirekt den Vereinigten Staaten zu verdanken ist, dass sich die stark bewaffnete Islamische Republik entwickeln konnte.

Die Begeisterung für den Krieg gegen den Iran und damit auch die Unterstützung für die Faschisten Trump und Netanyahu unter Europas Konservativen ist nicht mehr zu bremsen. Schon springen Sozialdemokraten und Grüne auf. Ich habe dieselbe Kriegsbegeisterung schon 1991 bei der sogenannten Operation Desert Storm erlebt, als ganz Westeuropa so wie heute die »Notwendigkeit« des Kriegs betont hat.

Absichtlich und wissentlich belügen uns die Kriegsbefürworter und jene, die Merz‘ »Drecksarbeit«-Sager unterstützen, über die wahren Hintergründe des Kriegs gegen den Iran. Netanyahu und Trump geht es zuallererst um die Festigung ihrer Macht im eigenen Land. Aus diesem Grund dürfen die radikalen Islamisten nicht verschwinden (wie sie ja aus dem Irak, Libyen, Afghanistan u.a. Ländern trotz der so »notwendigen« und »gerechten« Kriege nie verschwunden sind). Im Gegenteil: Der Islamismus, von den USA indirekt mit Waffen versorgt, ist ihr wichtigster Partner.

Trump und Netanyahu festigen ihre Macht

Zu allererst hat Trump vor dem Kriegseintritt der USA die Beliebtheit dieses Schritts abfragen lassen, um zu sehen, wie er sich auf seine Popularität auswirken würde. Die New York Times schrieb am 22. Juni:

„Politische Berater von Trump tauschten sich über verschiedene öffentliche und private Umfragen aus, in denen die Popularität eines militärischen Vorgehens gegen den Iran untersucht wurde, und stellten fest, dass die Unterstützung der Amerikaner für eine Operation zum Teil davon abhing, wie die Meinungsforscher die Frage stellten. Die Umfragen zeigten zwar, dass eine überwältigende Mehrheit der Amerikaner nicht wollte, dass die Vereinigten Staaten gegen den Iran in den Krieg ziehen, aber die meisten Amerikaner wollten auch nicht, dass der Iran eine Atomwaffe erhält.“

Nicht anders ist es in Israel. Die Frage der Demokratie in Qatar und der Türkei, die wesentliche Unterstützer der Hamas sind, haben sich Israel und die USA nie gestellt. Im Gegenteil war all jenen, die jeden Rechtsruck in Israel begrüßt haben, die indirekte Bewaffnung und logistische Hilfe der Hamas von NATO-Verbündeten immer willkommen. Der Faschist Netanyahu macht in Israel genau das, was auch die Mullahs im Iran machen: Er facht nationalistische und fundamentalistische Bewegungen an. Stefan Gassel im STERN:

„Je länger der Krieg dauert, desto mehr verschiebt er außerdem das Kräfteverhältnis zwischen der alten, säkularen Elite Israels und den Menschen aus der Peripherie jenseits von Tel Aviv, Haifa und Jerusalem, die sich seit Jahrzehnten benachteiligt fühlen. Viele, aber nicht alle von ihnen gehören zum nationalreligiösen Spektrum, das der Siedlerbewegung nahesteht. Diese Israelis sind Netanjahus treueste Anhänger. »Ähnlich wie Donald Trump ist ihm das Kunststück gelungen, sich als Anwalt der Underdogs auszugeben, obwohl er selbst Spross jener alten Elite ist, die sie verachten«, sagt Netanjahu-Biografin Mazal Mualem.“

Es geht um Öl und Waffengeschäfte

Der zweite Punkt ist vor allem für die USA ein rein wirtschaftlicher. Ihr geht es um Öl und Waffengeschäfte. Hätte es die USA nicht gegeben wäre der Iran bis heute ein säkularer, demokratischer Staat. Schon anlässlich der Operation Desert Storm erschien am 18. Jänner 1991 in der ZEIT ein Artikel von Peter Grubbe. Anhand des Buchs »Die Politik und das Öl im Nahen Osten« von Helmut Mejcher, Professor für neuere Geschichte an der Universität Hamburg, zeigt Grubbe, wo die ständigen Kriege im Nahen Osten ihren Ausgangspunkt haben:

„Die überragende Bedeutung des Öls für die politische Entwicklung in dieser Region wie die wahre Machtlage zeigten sich Anfang der fünfziger Jahre. Als der persische Regierungschef Muhammed Mossadegh 1951 die Ölquellen und die Ölproduktion in seinem Land verstaatlichte, veranlaßte das die westlichen Ölmächte zum Eingreifen. Mossadegh wurde entmachtet. Der Putsch, der ihn stürzte, wurde jedoch nicht von den durch die Verstaatlichung direkt betroffenen Briten, sondern vom amerikanischen CIA inszeniert. Auch im britischen Mandatsgebiet Palästina setzte nicht London, sondern Washington seine Pläne für den Staat Israel durch, was zu einer der Hauptursachen für die ständigen blutigen Unruhen im Nahen Osten wurde.“

Zuletzt sei noch einmal darauf hingewiesen, dass es den USA auch heute nicht um einen demokratischen Iran geht. Grund dafür sind neben Öl auch die Billiardengeschäfte, die das Land mit indirekten Waffenlieferungen macht. Trump agiert hier genauso wie seine Vorgänger, die es bis zu Ronald Reagan damit hielten, Waffenlieferungen indirekt über andere Staaten abzuwickeln.

Ronald Reagan belieferte hingegen die Taliban in Afghanistan offen mit Waffen. Und er bewaffnete auch den Iran. Letzteres wurde als Irangate (oder Iran-Contra-Affäre) aufgedeckt und hatte in den USA gerichtliche Folgen. Ronald Reagan wurde im Gerichtsverfahren freigesprochen, weil er sich angeblich an nichts mehr erinnern konnte.

Ein bigottes Europa

Europa sollte die Lügen der USA endlich hinterfragen und aufdecken. Ansonsten ist es ein bigottes Europa. Es ist ein Europa, das sagt: Die USA und Israel dürfen Kriege führen, andere Staaten nicht. Es ist ein Europa, das sagt: Die USA, Israel, Saudi-Arabien, die Emirate und die Türkei dürfen Menschenrechte verletzen, andere Staaten nicht. Es ist ein Europa, das sagt: Die USA, Israel und sogar Pakistan dürfen Atomwaffen haben und weiter aufrüsten, andere Staaten nicht.

Die Demokratiefeinde in den westeuropäischen Ländern reiben sich ob einer solchen Entwicklung die Hände. Sie können zusehen, wie konservative Parteien und teilweise sogar Sozialdemokraten und Grüne ihre Grundsätze fallen lassen, wenn es um den »richtigen« und »notwendigen« Krieg geht.

Doch alle Kriege sind unnotwendig und sinnlos. Die Menschen, die in Kriegen sterben, sind unschuldige Opfer. Diejenigen, die vor diesen Kriegen flüchten, wissen, welcher Hass sie in den Ländern, in die sie fliehen müssen, erwartet. Für sie haben die meisten Staaten kein Geld und kein Verständnis. Dafür, die Verstaatlichung der Erdölquellen im Iran zu verhindern, wurden während und nach dem Putsch der CIA im Iran hingegen Unmengen ausgegeben. Das Shah-Regime kaufte US-Waffen um Milliarden.

2018 ist Präsident Trump aus dem Atomabkommen mit dem Iran ausgestiegen und kündigte den US-iranischen Freundschaftsvertrag. An Gesprächen war man nie interessiert. Der »notwendige« Krieg ist eine Lüge. Die »unmögliche« Abrüstung ist eine Lüge.


Titelbild: https://pixabay.com/illustrations/iran-flag-country-symbol-nation-4610902/, https://pixabay.com/illustrations/america-flag-usa-national-symbol-4628631/, BARBARA GINDL / APA / picturedesk.com

Autor

  • Daniel Wisser

    Daniel Wisser ist preisgekrönter Autor von Romanen und Kurzgeschichten. Scharf und genau beschreibt er, wie ein Land das Gleichgewicht verliert.

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