Heute erzähle ich eine Geschichte, die ich selbst erlebt habe. Sie zeigt, wozu die organisierte Justiz in Österreich fähig ist.
Ich muss ein richtig schwerer Bursche sein, zumindest war ich das bis vor kurzem in den Augen der Staatsanwaltschaften in Krems und St. Pölten. Ich war Hehler des Pilnacek-Laptops (§ 164 des Strafgesetzbuches), habe mir illegal Zugang zu dessen Daten verschafft (§ 118a), habe die Zugangsdaten und das Computerprogramm missbraucht (§ 126 c), habe das Beweismittel „Laptop“ unterdrückt (§ 295) und habe noch dazu etwas illegal aus einem Akt veröffentlicht (§ 301). Auf diese Delikte stehen Freiheitsstrafen von einem halben bis zu einem Jahr.
Begonnen hat das alles mit der inzwischen berühmten Gerichtspräsidentin Caroline List. Vielleicht war sie ungehalten, weil sie noch keine Gelegenheit hatte, den verschwundenen Laptop ihres Mannes mit dem Bunsenbrenner in Form zu bringen, jedenfalls zeigte sie mich am 16. Oktober 2024 bei der Staatsanwaltschaft Krems an.
Die Anzeige warf mir bis auf die verbotene Veröffentlichung alles oben Genannte vor. Letztere stammte nicht von List, sondern von einem dubiosen Gelegenheitsinformanten des Verfassungsschutzes.
Kurz gefasst hatte List Folgendes herausgefunden:
- „Dass es Dr. Peter Pilz war, dem Karin Wurm den Laptop des Mag. Christian Pilnacek übergab, lässt sich zwanglos aus dessen zeitnahen Veröffentlichungen in seinem Online-Medium erschließen.“
- Daraus ergab sich für List ebenso zwanglos, wie der Kronen Zeitungs-Journalist Erich Vogl und ich alles angestellt hatten: „Laut vom Anwaltsgeheimnis geschützten Informationen der rechtsfreundlichen Vertretung der Anzeigerin aus zuverlässiger Quelle haben Dr. Peter Pilz und/oder Dr. Erich Vogl professionelle IT-Spezialisten mit der Überwindung der Sicherheitsvorrichtung des Laptop des Mag. Christian Pilnacek beauftragt.“
- Damit lag auch der nächste Verdacht auf der Präsidentinnenhand: „Dr. Peter Pilz (steht) im Verdacht seit etwa Anfang 2024 den Laptop, der seither auch als Beweismittel in den von der WKStA gegen unbekannte Täter der ÖVP geführten Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung dient, zu unterdrücken.“
In Ihrer Einvernahme durch die WKStA deckte List am 12. Juli 2024 dann den Rest auf: „Frau Wurm behauptet Unwahrheiten über meinen Ehemann und unser gemeinsames Leben, in das sie keinerlei Einblicke hatte. Aus meiner Sicht war sie angesetzt, sei es von Dr. Pilz oder anderen, meinen Mann auszuspionieren, um an dessen Daten zu gelangen.“
Hehler ohne Laptop
In der ganzen Anzeige findet sich kein einziger Beweis für die lange Latte der Delikte. Sie hätte auch schwer erklären können,
- wie ich Hehler eines Laptops, den ich bis heute nicht gesehen habe, werden konnte;
- wie ich ein Beweismittel, das eine Sobotka-Mitarbeiterin verschwinden ließ, an ihrer Stelle unterdrücken konnte;
- und wie ich meine Agentin Wurm, die ich im Jänner 2024 kennenlernte, im Juli 2023 unbekannterweise auf Pilnacek angesetzt haben konnte.
Die ebenso beweislose wie wirre Anzeige der Präsidentin landete am 18. Oktober 2024 am Schreibtisch eines Kremser Staatsanwalts. Franz Hütter hatte den Fall „Pilnacek“ längst mit einem Satz erledigt: „Ein Suizid, wie er klarer nicht sein könnte. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen“.
Am 23. Oktober 2024 trug mich Hütter als Angezeigten in den neuen Akt 5 UT 151/24 m ein. Am 10. November kümmerte sich bereits Susanne Waidecker als Leiterin der StA Krems um den Akt. Das „UT“ – „unbekannte Täter“ – war bereits durch ein „St“ ersetzt, und ich war Beschuldigter. Die Denunziation der Gerichtspräsidentin hatte offensichtlich die Prüfung eines Anfangsverdachts ersetzt.
Strukturelles Herumschieben
Im Jänner 2025 hatte mein Akt Füße bekommen. Für ihn galt der Satz: “Mach den Akt zum Wanderer, und ihn bekommt ein Anderer!”
Am 21. Jänner 2025 versuchte die Staatsanwaltschaft Krems, einen Teil der Verfahren an die Kollegen in Wien abzutreten. Aber gleich drei Tage später wandte sich die Staatsanwaltschaft Wien hilfesuchend an die Oberstaatsanwaltschaft: „Die Staatsanwaltschaft Wien regt aufgrund des Anscheins der strukturellen Befangenheit die Übertragung der Strafsache an eine andere Staatsanwaltschaft an.“
Dass es keine strukturelle, sondern nur eine persönliche Befangenheit gibt, spielte keine Rolle, vielleicht auch deshalb, weil man in Wien die konkreten Gründe einer höchstpersönlichen Befangenheit zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei in der Causa „Pilnacek“ nicht in den Akt nehmen wollte.
Am 12. Februar schwenkte die Oberstaatsanwaltschaft um und schickte den Akt gegen mich wieder nach Krems, allerdings mit einem wichtigen Hinweis: „Unter dem Aspekt des § 301 StGB gilt ein vom Gesetz zugelassenes individuelles richterliches oder verwaltungsbehördliches Geheimhaltungsgebot nur gegenüber demjenigen, demgegenüber es ausgesprochen wurde. Der Dritte, der von der geheim zu haltenden Tatsache erfahren hat, macht sich durch ihre Bekanntgabe hingegen nicht strafbar.“
Damit war alles wieder in Krems und für die Kremser Staatsanwälte klar, dass zumindest das Verfahren wegen verbotener Veröffentlichung gegen mich sofort einzustellen gewesen wäre.
Einen Versuch gab es noch. Am 1. März 2025 meldete sich der Leiter der Staatsanwaltschaft Eisenstadt mit dem Hinweis, dass „aus Gründen der Effizienz bzw Kontinuität der Aktenbearbeitung höflich eine Übertragung gemäß § 28 StPO an die bisher fallführende Staatsanwaltschaft angeregt wird“. Damit war Eisenstadt den Akt in Rekordzeit wieder los.
Strukturell beleidigt
Aber inzwischen war die Staatsanwaltschaft Krems wegen meines gerade erschienenen Pilnacek-Buchs beleidigt, weil ich ihr Versagen bei den Ermittlungen zum Tod des Sektionschefs in vielen Details beschrieben hatte. Am 27. Februar 2025 wandte sie sich an die Oberstaatsanwaltschaft in Wien: „Im Buch selbst wird mehrfach gegen die Staatsanwaltschaft Krems suggeriert, Gesetze verletzt und unsachlich bzw. ungenau agiert zu haben. Die Staatsanwaltschaft Krems habe zu Unrecht einen Selbstmord angenommen, sei nicht vertrauenswürdig usw.“
Also erklärte sich jetzt auch die Staatsanwaltschaft Krems für „strukturell befangen“. So landete der Akt am 21. März durch Weisung der OStA Wien in St. Pölten. Von dort bekam ich am 3. Juli 2025 die Mitteilung, dass man alle Verfahren gegen mich eingestellt hatte. Ein Satz der Mitteilung verrät, was passiert war: Es „besteht aufgrund der Ermittlungen der WKStA kein weiterer Tatverdacht gegen Dr. Peter Pilz, dass dieser den Laptop jemals selbst innegehabt und sich Zugriff zu den darauf gespeicherten Daten verschafft oder zu derartigen Tathandlungen anderer beigetragen habe“.
Das Ganze liest sich wie ein Geständnis des Staatsanwalts: Seit Oktober 2024 war der Akt ohne Ermittlungen hin- und hergeschoben worden. Bis heute bin nicht einmal ich selbst als Beschuldigter einvernommen worden. Aber jetzt war man in St. Pölten von der Oberstaatsanwaltschaft am 21. März darauf aufmerksam gemacht worden, dass die WKStA längst alles untersucht und festgestellt hatte, dass die Anschuldigungen der Gerichtspräsidentin nichts als bunsenbrennerheiße Luft gewesen waren. Zum Laptop ließ die OStA die Kollegen in St. Pölten wissen, dass die WKStA „nach jüngsten Erkenntnissen zumindest seit Sommer 2024 ein Gerät verwahrt, bei dem es sich um den verfahrensgegenständlichen (privaten) Laptop Mag. PILNACEKs handeln dürfte“.
Hätte die WKStA nicht Zeuginnen und Zeugen von Karin Wurm und Harald Monschein bis Christian Mattura und Michael Nikbakhsh einvernommen, wäre ich wohl heute noch Beschuldigter.
Persilschein in Krems
Das ist die eine Geschichte. Die andere hat mit einer tatsächlichen Befangenheit zu tun.
Aufgrund meines Buches hat die Oberstaatsanwaltschaft Wien der Staatsanwaltschaft Krems einen bemerkenswerten Auftrag gegeben. Sie soll prüfen, ob auf Basis der beiden gerichtsmedizinischen Privatgutachten, die die Selbstmordlegende von StA Krems und LKA St. Pölten sachlich widerlegen, die Ermittlungen zum Tod des Sektionschefs wieder aufgenommen werden müssen.
Die Staatsanwaltschaft Krems soll also untersuchen, ob die Staatsanwaltschaft Krems bei den ersten Ermittlungen alles falsch gemacht hat. Genau das ist der Fall, den Paragraf 47 der Strafprozessordnung regelt. Dort steht: „Jedes Organ der Kriminalpolizei und der Staatsanwaltschaft hat sich der Ausübung seines Amtes zu enthalten und seine Vertretung zu veranlassen, wenn Gründe vorliegen, die geeignet sind, seine volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen.“
Es gibt eine einzige Behörde, die bei der Überprüfung, ob die StA Krems bei den Ermittlungen zur Pilnacek-Todesursache versagt hat, befangen ist: die StA Krems. Aber plötzlich gilt die Strafprozessordnung nicht mehr. Plötzlich ist Krems nicht befangen. Die Kremser Staatsanwälte haben jetzt zwei Möglichkeiten: sich selbst zu überführen oder sich einen Persilschein auszustellen.
Die Zeichen stehen auf „Persil“. Was da schon wieder alles in Krems passiert ist, darüber werden wir demnächst auf ZackZack berichten.
Rechts-Staat
Das Geschilderte nennt sich „Rechtsstaat“. Aber was heißt das von Krems bis St. Pölten und von Eisenstadt bis Wien? Ist das der Staat, der alles der ÖVP recht macht? Ist das der Staat, der am rechten Auge blind ist und am linken alles doppelt sieht? Ist das der Staat, der statt der Täter die Aufdecker verfolgt? Sind das die ermittelnden und daschlogenden Freunde und Helfer der Familie?
Gälte das Strafgesetz für alle gleich, müssten nicht nur alle Verfahren gegen Journalisten wie Erich Vogl von der Kronen Zeitung und mich eingestellt werden, es müsste möglicherweise auch ermittelt werden: gegen die Grazer Präsidentin wegen des Verdachts der Verleumdung und der Beweismittelvernichtung; und gegen die Leiterin der StA Krems wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs.
Aber bis heute wird gegen List, Takacs, die Leiterin der StA Krems und die Spitzen der Polizei nicht ermittelt. Auch das stärkt die Befürchtung, dass es die die organisierte Justiz ist, die gemeinsam mit der organisierten Polizei den Rechtsstaat zugrunde richtet.
Es gibt eine gute Frage von Bert Brecht: auf welcher Seite des Gerichts das Verbrechen eigentlich sitze. Ich hoffe, dass der kommende Untersuchungsausschuss zur Klärung dieser Frage beitragen kann.