Dienstag, August 19, 2025

Die Unsterblichen sterben aus

Milliardäre wie Peter Thiel träumen von der Unsterblichkeit, während andere in Elend leben. Dabei könnten sie ihre Mittel für ein besseres Leben auf der Erde einsetzen. Damit würden sie endlich etwas Sinnvolles tun.

Viel ist heute wieder zu lesen über Langlebigkeit, Unsterblichkeit, Kryonik. Eine wachsende Longevity-Industrie soll es geben. Es scheint so, als wären die Visionen und das Träumen der Hippies und der Sechzigerjahre wieder da. Von Lebensverlängerung war damals die Rede. Vom Auswandern ins All. Die Tech-Branche bringt diese Ziele wieder zur Sprache. Nur ist sie neo-konservativ und elitär. Ihre Anführer sind keine Gurus, sondern Milliardäre und Oligarchen. Und ihr Streben nach einem längeren Leben zeigt ihr Klassendenken, ihre (Ein-)Teilung der Gesellschaft.

Die Hippies und Achtundsechziger wendeten sich enttäuscht vom genialen Erfinder Buckminster Fuller ab, als sich herausstellte, dass er auch Geschäfte mit dem Militär machte. Die heutigen Tech-Riesen arbeiten Polizei und Militär zu. Sie fördern und unterstützen Krieg und Überwachung. Die Datenkraken und Big-Data-Konzerne, denen wir über unsere Handys und Computer mit jeder Eingabe Daten geben, verkaufen sie weiter, zum Beispiel an die Polizei. Das heißt nichts anderes, als dass wir mit unseren Steuergeldern das kaufen, was wir einmal hergeschenkt haben.

Träume der Eliten

Hinter diesen Firmen stecken Milliardäre, denen langweilig ist. Sie benutzen aber ihre Zeit nicht, um darüber nachzudenken, wie die großen Probleme der Welt gelöst werden können: alle Menschen zu ernähren, die Bevölkerung der Erde zu regulieren und konstant zu halten und die menschlichen Lebensräume zu erhalten und zu verbessern. Nein, sie träumen davon, als kleine Elite auf dem Rücken der anderen noch größer und mächtiger zu werden. Sie träumen von Lebensverlängerung in einer Welt, in der Millionen von Kindern keine Aussicht darauf haben, das Durchschnittsalter der Menschen in den westlichen Industriestaaten zu erreichen.

Peter Thiel hat der New York Times ein langes Interview gegeben, in dem er über seine Besuche auf Kryonik-Partys spricht und auch sagt, es gehe ihm darum, die Menschheit von der »Sterblichkeit zu heilen«. Die Diskussionen um Thiel drehen sich immer um denselben Punkt. Die einen betonen, wie intelligent und gebildet er sei. Die anderen bestreiten das. Aber wohin führt eine solche Diskussion? Sie führt nirgendwo hin. Es macht gar keinen Unterschied, ob Peter Thiel oder jeder andere herkömmlich Milliardär intelligent oder gebildet ist. Es sind die grundlegendsten Erkenntnisse der Ethik, dass wir alle Menschen so behandeln müssen, wie wir selbst behandelt wollen werden. Und Ethik ist eben auch ein Teil der Bildung.

Leben im 13. Jahrhundert

Wir leben in einer Zeit, die atavistische Denkweisen und Gesellschaftsmodelle wieder en vogue macht. Es sind Modelle, die die Gesellschaft in Gute und Böse, in Freunde und Feinde teilt und mit allen Mitteln zum Kampf gegen seine Feinde aufruft. Doch die Entwicklung der Technologie, die unsere Gesellschaft verändert, erfordert auch eine Veränderung des Gesellschaftsmodells selbst. Wenn selbsternannte »Gotteskämpfer« des IS sagen, dass sie wie im 13. Jahrhundert leben wollen, dann aber Maschinengewehre benutzen und Youtube-Videos von Enthauptungen machen, wird evident, dass ihre Ideale entweder geheuchelt sind oder (was ich für unwahrscheinlich halte) sie tatsächlich glauben, dass es im 13. Jahrhundert Videoplattformen im World-Wide-Web gab.

Nicht anders sind die neofaschistischen und ultra-konservativen Bewegungen der Gegenwart. Darum versteht sich Gerhard Karner so gut mit den Taliban. Er ist eben ein niederösterreichischer Taliban. Und auch Peter Thiel gehört den Neofaschisten an. Er unterstützt mit Donald Trump einen Demokratiefeind und hat sich auch öffentlich gegen die Demokratie ausgesprochen.

Unfug des Lebens

Was soll ein Milliardär noch wollen? Alles, was er außer Geld sammeln tun könnte, wäre etwas Ideelles. Doch an diesem Punkt versagt die kapitalistische Gesellschaft grundlegend. Sie hat ausgerufen, dass das wirtschaftlich Wachstum das höchste Ziel ist. Dass Wohlstand, Frieden und Freiheit und Bildung sich überall ausbreiten, wenn der Kapitalismus herrscht, haben viele lange geglaubt. Heute aber müssen wir erkennen, dass er die Bildung, die Freiheit und den Frieden bekämpft.

Die Unsterblichkeit würde die Langeweile und das Sinnlosigkeitsgefühl von Peter Thiel nur ins Unendliche steigern. Sein Weltbild würde sie vermutlich nicht verändern. Oder doch? Es sind schon viele Unsterblichkeitsvertreter aufgetreten und auch wieder gestorben. Man lese etwa Prentice Mulfords Unfug des Lebens und Sterbens, ein Buch, das in den Siebzigerjahren sehr beliebt war.

Mulford ist jedenfalls klüger als Peter Thiel, denn er erkennt, dass das Streben nach einem glücklichen Leben auch davon abhängt, dass wir viele Dinge nicht so machen, wie sie uns vorgeschrieben werden, uns zur Wehr setzen, Widerstand leisten und nicht mit dem Mainstream schwimmen. Eine Idee, die im Kapitalismus von heute nicht mehr zu existieren scheint. Die Subkulturen sind ausgerottet.

Gegen den Kapitalismus der Unsterblichen

Das Altern ist etwas, das uns viele Demütigungen bringt. Daher will ich weder zweihundert Jahre alt werden, noch unsterblich sein. Ich möchte mich auch nicht einfrieren lassen, um nach Jahrzehnten wiederzukehren. In meinem Roman 0 1 2 habe ich skizziert, wie so etwas ausgehen könnte.

Alles, was wir tun können und tun müssen, ist, zu versuchen, für eine bessere, gerechtere Gesellschaft zu kämpfen, die versucht, das was sie hat und schaffen kann, gerecht auf alle Menschen zu verteilen. Dass wir von diesem Ziel heute weiter entfernt scheinen als vor wenigen Jahrzehnten, müsste nicht so sein. Wir können dafür kämpfen. Aber der Kapitalismus oder jedes Gesellschaftsmodell, das uns das Streben nach mehr persönlichem Besitz als höchstes Ziel vorgibt, ist schon im Ansatz untauglich dafür, dieses Ziel zu erreichen. Daher muss der Kapitalismus bekämpft werden, denn er trachtet nach Reichtum und Macht für wenige. Mir ist es lieber, wenn die Unsterblichen aussterben.


Titelbild: Miriam Moné

Autor

  • Daniel Wisser

    Daniel Wisser ist preisgekrönter Autor von Romanen und Kurzgeschichten. Scharf und genau beschreibt er, wie ein Land das Gleichgewicht verliert.

LESEN SIE AUCH

Liebe Forumsteilnehmer,

Bitte bleiben Sie anderen Teilnehmern gegenüber höflich und posten Sie nur Relevantes zum Thema.

Ihre Kommentare können sonst entfernt werden.

12 Kommentare

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
12 Kommentare
Meisten Bewertungen
Neueste Älteste
Inline Feedbacks
Zeige alle Kommentare