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Pilz am Sonntag

Die “Sicherheitsverwahrung” ist nur eine Nebelgranate des Innenministers, um vom eigenen Versagen bei der Verhinderung des Terroranschlags in Wien abzulenken, kommentiert Peter Pilz.

Wien, 30. Mai 2021 | Vor vier Jahren stand die politische Welt noch auf den Füßen. Als der freiheitliche Abgeordnete Christian Hafenecker eine „Sicherheitsverwahrung“ zum präventiven Wegsperren von Terroristen forderte, waren SPÖ und Grüne aus guten Gründen dagegen. Jetzt will die grüne Justizministerin die FPÖ-Forderung verwirklichen und die Welt steht endlich am grünen Kopf.

Der Anlassfall – der Terror-Anschlag vom 2. November 2020 in Wien – liefert viele Argumente gegen die Sicherheitsverwahrung und kein einziges dafür. Der Innenminister muss das wissen, die Justizministerin ist vielleicht unzureichend über die Vorbereitung der Tat durch den Terroristen Kujtim F. informiert. Daher auch für sie eine kurze Zusammenfassung:

  • Am 23. Juli 2020 wird das BVT vom slowakischen Nachrichtendienst NAKA informiert, dass der spätere Täter versucht, Kalaschnikow-Munition zu beschaffen. Das BVT sucht nicht nach dem dazugehörigen Sturmgewehr.
  • Das BVT stellt fest, dass Kujtim F. bereits am 25. April 2019 als Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu einer Haftstrafe von 22 Monaten verurteilt worden ist. Kujtim F. ist auf Bewährung freigelassen worden.
  • BVT und LVT wissen, dass sich Kujtim F. in einer Ottakringer Moschee wieder mit anderen Djihadisten trifft. Ein Treffen mit Djihadisten aus Deutschland und der Schweiz wird vom 17. bis 20. Juli 2020 observiert. Das BVT „vergisst“, den Staatsanwalt über Kujtim F.´s Verstöße gegen seine Bewährungsauflagen zu verständigen.
  • Am 23. Juli informiert das BVT den Rechtsschutzbeauftragten über die Observation und stellt fest, dass Kujtim F. ein Angehöriger des „hiesigen islamistisch/extremistischen Spektrums rund um die Städte St. Pölten und Wien“ sei. Der Staatsanwalt wird nicht informiert.
  • Das BVT stellt noch mehr fest: „Das gesamte Treffen wird vom BVT angesichts seiner „Multilateralität“ in den Kontext eines „sich in Wien konsolidierendes internationalen Netzwerks von Islamisten“ und mit einer „IS-Terrorzelle im Kosovo“, der die Planung von Anschlägen (auch) in Europa zugeschrieben wird, in Verbindung gebracht.
  • Aber das Schlimmste kommt zum Schluss. Das BVT weiß, dass „zumindest seit Anfang Juni 2020“ Hinweise auf „im Kosovo an den sog. ´Islamischen Staat´ angebundene Strukturen existieren, die unter anderem ein ´Tor nach Europa´ darstellen sollen“ und deren Beteiligte nur auf ein Kommando einer übergeordneten Führungsebene des ´IS – Amtes von außen´“ warten würden, um ´operativ tätig zu werden´“.

Das BVT weiß also seit Sommer 2020, dass Kujtim F.

  1. ein Terrorist ist, der
  2. Munition für ein Sturmgewehr beschafft und
  3. sich regelmäßig mit Islamisten in einer Hass-Moschee trifft,
  4. gefährliche deutsche und Schweizer Djihadisten in Wien trifft,
  5. von einem IS-Kommando im Kosovo gesteuert wird und
  6. nur auf ein IS-Signal wartet, um loszuschlagen.

Das BVT weiß also, dass ein Terror-Anschlag in Wien vorbereitet wird und wer ihn vorbereitet. Das BVT weiß alles und tut nichts. Die zuständigen Beamten von BVT und Innenministerium sind damit persönlich für die Toten des Terror-Anschlags verantwortlich. In jedem Staat der Welt würden sie entlassen werden. Aber der Innenminister stellt sich vor die BVT-Spitze und den Generaldirektor für öffentliche Sicherheit. Der Grund ist einfach: Die verantwortlichen Beamten sind Parteifreunde des Ministers. Davon will Nehammer ablenken. Deshalb und um von seiner eigenen Verantwortung abzulenken, baut er die Nebelgranate der „Sicherheitsverwahrung“. Aber warum zündet die Justizministerin die Granate?

Alma Zadic sollte wissen, dass es besser ist, einen Anschlag zu verhindern als nach dem Anschlag Täter präventiv wegzusperren. Sie sollte wissen, dass die Sicherheitsverwahrung ein erster Schritt zur Schutzhaft sein kann. Sie sollte verstehen, dass eine grüne Justizministerin diesen rechtsstaatlichen Damm schützen muss und ihn nicht beschädigen darf. Sie sollte – aber warum tut sie es nicht? Warum stellt sie sich hinter Nehammer?

Und noch ein paar Fragen: Warum war Zadic dafür, dass in Zukunft der WKStA Hausdurchsuchungen in Behörden untersagt werden sollten? Warum sieht sie seit mehr als einem Jahr zu, wie Oberstaatsanwaltschaft Wien und SOKO Ibiza gemeinsam die Ermittlungen der WKStA sabotieren? Und warum lassen ihre Grünen zu, dass mit dem Ibiza-U-Ausschuss die wichtigste parlamentarische Unterstützung der WKStA-Ermittlungen abgedreht wird?

Ja, es gibt auch etwas Positives. Unter Justizministerin Zadic werden die Ibiza-Ermittlungen der WKStA nicht „daschlogn“, zumindest nicht von ihr selbst. Aber das ist zu wenig.

Titelbild: APA Picturedesk

Autor

  • Markus Steurer

    Hat eine Leidenschaft für Reportagen. Mit der Kamera ist er meistens dort, wo die spannendsten Geschichten geschrieben werden – draußen bei den Menschen.

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