Start Bericht Pilnacek und die ÖVP: Tatort „Innenministerium“

Pilnacek und die ÖVP: Tatort „Innenministerium“

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Pilnacek und die ÖVP: Tatort „Innenministerium“

Herbert Kickl ist nicht Bundeskanzler geworden, weil die ÖVP das Innenministerium nicht hergeben konnte. Es ist für sie zu gefährlich.

Im Innenministerium in der Wiener Herrengasse befindet sich, so glauben viele, ein Leichenkeller der ÖVP. Er soll nicht der einzige, aber mit Abstand der größte sein.

Von 2017 bis 2019 war Herbert Kickl Innenminister. Vom ersten Tag an bekämpfte er zwei Gefahren, die ihn und seine Partei bedrohten: ÖVP-Parteipolizisten und den Verfassungsschutz BVT. Für den Keller hatte er damals noch keine Zeit.

Wenn – so wird erzählt – man in den Keller geht, findet man in den Abteilen, auf denen „Parteibuchwirtschaft/Sobotka“, „Eurofighter“, „Parteifinanzen“, „Cobra/Nehammer“ oder „BVT“ steht, nichts als Akten. Nach 2019 ist mit Ibiza ein ganzer Kellergang dazugekommen.

Pilnacek

Über die Jahre ist das Abteil, auf dessen Kellertür „Pilnacek“ steht, bis an die Decke gefüllt worden. Dafür sorgte die „Kerngruppe“, die ich in meinem neuen Buch über Pilnacek so beschreibe:

Am 21. Juli 2019 hatte Christian Pilnacek eine Frage: „Verdacht: War BVT in Ibiza-Video involviert?” OStA-Chef Johann Fuchs antwortete vier Minuten später auf WhatsApp: „Vielleicht sollten wir das in der bisher ohnedies noch nicht einberufenen „Kerngruppe“ mit den zuständigen Direktoren besprechen“.

Pilnacek, Fuchs und der spätere Bundeskriminalamts-Direktor Andreas Holzer – das waren 2019 drei der wichtigsten Mitglieder der „Kerngruppe“, die sich hinter dem Rücken der WKStA abstimmte. Dazu kam mit Bundespolizeidirektor Michael Takacs ein weiterer Vertrauensmann der Partei, der in der Affäre „Pilnacek“ eine Schlüsselrolle spielen sollte.

Gemeinsam versuchte die Kerngruppe, der WKStA die Aufklärung der Ibiza-Affären schwer zu machen. Den Kampf um die Auswertung zentraler Handys gewann die WKStA. Heute wissen wir, um wie viel es damals ging.

Der Todesfall

Vier Jahre später fand man Christian Pilnacek am 20. Oktober 2023 leblos am Ufer eines Donau-Altarms in der Wachau. Die verlässliche niederösterreichische Polizei war gleich zur Stelle. Der Tatort wurde nicht gesichert. Ein LKW fuhr durch die ungesicherten Spuren am Uferweg. Doch die Verhinderung der Obduktion scheiterte. Dann verschwand das Handy aus den Ermittlungen. Auf einem weiteren Datenträger fand das Bundeskriminalamt wie bei Thomas Schmid und „Ibiza“ keine Daten.

Von Anfang an stand das Ermittlungsergebnis fest: „Selbstmord“. Wenige Stunden nach Pilnaceks Tod konnte es Sebastian Kurz bereits am Rande seines Prozesses wegen falscher Zeugenaussage verkünden. Die Obduktion brachte nicht das gewünschte Ergebnis, aber das wurde von der Kriminalpolizei schnell korrigiert. Dann war der Akt zu.

Die Akten

Helmut Qualtinger hat in „Der Papa wird´s scho richten“ gewusst, was er sang:

Da genügt ja schon ein Telefonat – zum richtigen Ort – und dort sind sofort – die Akten unauffindlich…

In diesem Fall hatte die ÖVP Pech. Die Akten waren auffindlich. Sie ergeben ein klares Bild, ohne Selbstmord und mit Spuren zur ÖVP und ins Innenministerium.

Um keinen Preis

In der FPÖ hat man sich gewundert, warum die ÖVP alles hergeben wollte, nur das Innenministerium nicht. In der ÖVP hat man sich gewundert, warum Herbert Kickl auf dem Innenministerium bestand.

Beide Fragen scheinen leicht zu beantworten. Das Innenministerium war für seinen Minister der Ort des schrecklichsten Absturzes und der schlimmsten politischen Kränkung. Kickl wollte es der ÖVP „zeigen“, auch um den Preis seiner eigenen Kanzlerschaft.

Im Gegensatz zu Kickl verhielt sich die ÖVP durchaus vernünftig. Sie wusste, was mit dem Innenministerium und seinen Aktenkellern am Spiel stand. Ihr war klar, dass eine neue Affäre „Pilnacek“ nicht nur die türkisen Brückenköpfe in Landeskriminalamt und Landespolizeidirektion St. Pölten gefährden würde.

Pilnacek packt aus

Am Tag vor seinem Tod schien Christian Pilnacek bereit auszupacken. FPÖ-Generalsekretär Hafenecker sollte das Treffen zwischen Pilnacek und Kickl vorbereiten. Wenige Stunden später war Pilnacek tot. Christian Hafenecker hat mir das Gespräch für mein Pilnacek-Buch geschildert:

Seinen ersten Termin in Wien hatte Pilnacek am 19. Oktober 2023 um 11.45 Uhr in der ungarischen Botschaft. Am Rande des Buffets traf er FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker. Pilnacek, so berichtete der FPÖ-Mann, sei „gut drauf“ gewesen.

Pilnacek wollte möglichst schnell einen Termin mit Herbert Kickl. Der Kurier zitierte Hafenecker: „Er hatte eine Terminbitte: Er wollte dringend und vertraulich mit Herbert Kickl reden.“ Der Sektionschef war offenbar bereit, über einiges zu berichten. An eine Pilnacek-Formulierung konnte sich Hafenecker erinnern: „Ich habe den Rahmen für einige in der Politik gestaltet.“ Über diesen „Rahmen“ und seine „Gestaltungen“ für Politiker und ihre Parteien wollte Pilnacek mit Kickl reden.

Gemeinsam untergehen

Schon am 11. Juni 2020 versicherte Pilnacek dem späteren Kripo-Chef Andreas Holzer, dass sie im gemeinsamen Boot saßen: „Wenn Sie Unterstützung brauchen, ich bin noch da, Sie sind ein grader Michl.“ Holzer antwortete: „Danke, das freut mich und ich melde mich jedenfalls. Ich schätze Sie ebenfalls so ein.“ Pilnacek hoffte auf eine gemeinsame Zukunft: „Dann hoffe ich, dass wir nicht gemeinsam untergehen.“ Darauf Holzer: „Das hoffe ich auch nicht. Wenn, aber mit Stil…“ Pilnacek schloss: „Eben, so sind wir“.

Wie genau sie waren und sind, das zeigt jetzt die Affäre „Pilnacek“. So wird demnächst die SPÖ erfahren, wie wichtig das Innenministerium ist.

p.s.: Am nächsten Dienstag präsentiere ich mein Buch „PILNACEK – der Tod des Sektionschefs“ in der Wiener Kulisse. Schon jetzt gibt es das Buch bei uns im ZackZack-Shop.

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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