Von Budapest bis Wien
Wenn es darum geht, die Pressefreiheit in Budapest zu verteidigen, ist auf Österreichs Journalismus Verlass. Gut so. Und jetzt bitte auch daheim in Wien! Von Thomas Walach
Wien, 09. April 2021 | Franziska Tschinderle, eine österreichische Journalistenkollegin, hatte in Budapest recherchiert. Antworten auf ihre Fragen erhielt sie vom Orban-Regime nicht. Dafür traten Journalisten des ungarische Staatsfernsehens auf den Plan und kritisierten Tschinderles Recherchen. Sie hätte mit ihren Fragen “provoziert”.
Das erregte Österreichs Journalisten. Zu Dutzenden gaben sie Solidaritätsbekundungen ab und schrieben über die Funktionsweise von Orbans Medienregime. Gut so!
Gleichzeitig wissen wir: Das ist ein symbolischer Akt, der nichts kostet. In Österreich geschehen dieselben und noch schlimmere Dinge. Hier schlüpfen viele Journalisten dann in die Rolle der Kollegen vom ungarischen Staatsfernsehen.
Nachdem ich die Ermittler der WKStA auf meine Veröffentlichung zu Treffen zwischen Sebastian Kurz und Harald Neumann bei Gabi Spiegelfelds Frühstückstreffen hingewiesen hatte, lud Kurz die Créme de la Créme des österreichischen Printjournalismus zu einem Hintergrundgespräch. Dort behauptete er, ich hätte ihn bei der WKStA angezeigt und die würde ihn nun als Beschuldigten führen. Das stimmte zwar nicht, aber keiner der geladenen Journalisten kam auf den Gedanken, bei der Staatsanwaltschaft wenigstens nachzufragen. Stattdessen schrieben sie Unwahrheiten des Kanzlers einfach ab.
In Ungarn schändlich, in Österreich okay?
Unsere Fragen werden bei Pressekonferenzen des Kanzlers nicht zugelassen. Wahrscheinlich fürchtet man, sie könnten “provozieren”. In Ungarn schändlich, in Österreich okay?
Das Dumme ist: Die Kanzlerpartei ÖVP hat nun gesehen, dass sie mit kritischen Medien so verfahren kann, ohne dass sie Solidarität erwarten können. Teile und herrsche. Die einen werden diffamiert, die anderen bekommen Inserate und Geschichten zugesteckt. Jeder Journalist soll sich fragen, zu welcher Gruppe er oder sie gehören will.
Weil es funktioniert, nimmt die ÖVP mit Falter-Chefredakteur Florian Klenk nun den nächsten Kritiker aufs Korn. Er wird nicht der letzte sein.
Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, es ist wohlfeil, die Pressefreiheit bloß in Ungarn retten zu wollen. Viel schwieriger ist, sie auch in Österreich zu verteidigen. Dort geht es für die Beteiligten um etwas, nicht zuletzt um das wirtschaftliche Überleben. Auch in Ungarn wurden die Medien nicht verboten, sondern gekauft. Wer nicht mitmachen wollte, wurde isoliert und ausgehungert. Diejenigen, die in der Gnade Orbans waren und bleiben wollten, dienten ihm als Werkzeug dazu.
ZackZack wird das Missfallen des Kanzlers nicht nur überstehen, im Gegenteil: Sebastian Kurz’ Angriffe zeigen unseren Lesern, wo wir stehen. Und unsere Leser stehen zu uns. Wer sich lieber von den Zuwendungen der Regierung als von den eigenen Lesern abhängig machte, hat nun ein Problem.
Aber noch ist es nicht zu spät. Wir sind nicht in Budapest, sondern in Wien. Doch da ist es nicht mehr weit. Die Bastisierung müssen wir gemeinsam verhindern. Nicht irgendwann. Nicht irgendwo. Sondern jetzt und hier.
Titelbild: APA Picturedesk