„Empfangen, unterhalten, verwöhnen – und anstecken“. Peter Pilz kommentiert das Drehbuch zur vierten Welle und die Beweggründe des großen Aufsperrens.
Peter Pilz
Wien, 25. April 2021 | Wer derzeit wissen will, wohin Österreich geht, muss nach Vorarlberg schauen. Dort demonstriert eine Gruppe von Landespolitikern, wie man verlässlich die vierte COVID-Welle vorbereitet. In Wien ist der Kanzler dabei, aus dem Bregenzer Drehbuch eine österreichische Tragödie zu machen. Diesmal tut er es mit Sicherheit gegen besseres Wissen.
Da steht das ganze Drehbuch drin:
- Auftritt des Hellsehers im Sommer 2020: „Im Mai 2021 ist alles vorbei!“ (Strahlenkranz)
- Der Hellseher ist der Heiler und hat 60 Prozent durchgeimpft. (Schwenk auf dankbare Geimpfte, nicht sagen, dass das nur 60 Prozent der aktiv „Impfwilligen“ sind)
- Die letzten Wochen der Krise sind da. Der Hellheiler erreicht das Ende des Tunnels. (Bundeshymne).
Dann kommt der Aufruf zur 4. Welle: „Empfangen, unterhalten, verwöhnen – und anstecken“. In drei Wochen ist es soweit.
Was wäre die Alternative? An Stelle des Hellheilers tritt ein Bundeskanzler auf und präsentiert etwas völlig Neues: einen selbständigen Gesundheitsminister. Der erklärt, dass es Chancen und Gefahren gibt. Sinkende Inzidenzen, aber auch neue Mutationen. Gemeinsam mit seinen Experten hat er einen evidenzbasierten Plan erarbeitet. Darin sind die einzelnen Öffnungsschritte an Zahlen geknüpft. Dasselbe gilt für Schließungen. Alle wissen, woran sie sind, können planen und es gemeinsam versuchen.
Warum geht das nicht? Das hat einige völlig unterschiedliche Gründe:
- Wenn es einen Plan mit einer Halbautomatik (Kultur, Geschäfte, Gastgärten und Schulen sperren bei Wocheninzidenz unter 100, Lokale unter 50 auf) gibt, fallen die großen Auftritte für dramatisches Auf- und Zusperren weitgehend aus.
- Die Wissenschafter werden aufgewertet, die fachfremden Regierungsmitglieder verlieren an Gewicht.
- Der einzige, der eng mit den Wissenschaftern arbeitet, ist der Gesundheitsminister. Er spielt im faktenorientierten System die politische Hauptrolle.
- Wenn neue Schmid- oder Blümel-Mails auftauchen, kann der Kanzler nicht mit einer Schließung oder Öffnung, mit einem Impfbasar oder einer Sputnik-Landung ablenken.
Ich glaube, dass der letzte Grund weit wichtiger ist, als die meisten glauben. Kaum jemand kann sich vorstellen, was das heißt: Du bist endlich Bundeskanzler, stehst in der Früh auf, willst dich vor dem Spiegel frisieren und entdeckst eine neue Schlinge um deinen Hals.
Die Schlingen erklären das unübliche Verhalten des Kanzlers, seine immer häufigeren Panikattacken: seine Attacken auf die Justiz, seine Panik-Pressekonferenz gegen ZackZack, seine Attacke auf den Falter-Chefredakteur. Kurz und wir wissen, Es kommt noch viel mehr. Einiges davon wird gerade für ZackZack recherchiert. Kurz kämpft ums Überleben, gegen den Rechtsstaat und gegen die Medien, die noch unabhängig sind.
Jetzt, Ende April 2021, geht es nicht mehr ausschließlich darum, ob und wie wir COVID überleben. Es geht darum, ob Sebastian Kurz seine Affären überlebt. Wer einen Weg aus der COVID-Krise will, muss hoffen, dass wir bald die Kurz-Krise hinter uns lassen, mitsamt Kurz, Blümel, Sobotka, Nehammer und dem Rest der Familie.
Titelbild: APA Picturedesk