Video-Botschaft
Als bisher einziger europäischer Spitzenpolitiker stellt sich Sebastian Kurz demonstrativ hinter den scheidenden Israel-Premier Netanjahu. Dieser wettert derweil gegen die neue Koalition und nennt sie „Betrug“.
Wien, 07. Juni 2021 | Benjamin Netanjahu kann auf seinen österreichischen Freund zählen. So postete der wegen Korruption angeklagte und vor der Abwahl stehende Israel-Premier am Sonntag ein Video von Sebastian Kurz. Der Kanzler drückt in diesem tiefsten Dank gegenüber Netanjahu aus.
Bibi freut sich
Kurz postete das Video (Stand Vormittag) nicht selbst. Nur Netanjahu verbreitet es mit den Worten „Danke an meinen Freund, Kanzler Kurz“.
https://twitter.com/netanyahu/status/1401561997569839105
Was die Botschaft des Videos sein soll, ist unklar: Bedankt sich Kurz nun erneut, weil er damals im März 2020 von Netanjahu „wachgerüttelt“ worden war und über Österreich den ersten Lockdown verhängt hatte? Oder ist die Botschaft eine simple Unterstützung für sein israelisches Pendant?
Kurz kann sich im Video zumindest an die „Warnungen“ erinnern, die er von Netanjahu erhalten haben will. Dem Parlament hat er bisher keine Auskunft zum geheimnisvollen „Lockdown-Telefonat“ mit „Bibi“ geliefert. Auf eine NEOS-Anfrage hatte der Kanzler im Sommer 2020 wortkarg geantwortet: Er, Kurz, führe mehrere Telefonate mit Netanjahu und habe zum Inhalt keine Aufzeichnungen geführt.
Abschiedsvideo?
Es könnte sich aber auch um ein Abschiedsvideo von Kurz für dessen großes Vorbild Netanjahu handeln. Nach 12 Jahren an der Macht wird er aller Voraussicht nach abgelöst – von einer „Querfront“ aus acht Parteien. Diese Koalition nennt „Bibi“ übrigens „Betrug“. Sie müsse mit allen Mitteln verhindert werden. Seine Gegner sagen hingegen, er animiere zu Gewalt und Aufruhr, ähnlich wie Trump beim Sturm aufs Kapitol. In den nächsten Tagen muss die neue Koalition noch eine letzte Abstimmung überstehen.
Sebastian Kurz ist mit dem Video der erste und bislang einzige europäische Spitzenpolitiker, der sich mit Netanjahu offen solidarisiert, nachdem dieser vor dem Aus steht. Dass sich Kurz im Video noch immer als „First Mover“ bezeichnet – obwohl in kaum einem anderen EU-Land im Herbst so viele Menschen in den Altersheimen gestorben sind wie in Österreich – geht da fast unter.
(ot)
Titelbild: APA Picturedesk