»Geben und Nehmen«
Der ehemalige Leiter des Chronik-Ressorts der Kronen Zeitung packt in einem Facebook-Beitrag über Sebastian Kurz und seine “Verhaberung” mit den Medien aus. ZackZack hat mit dem Ex-Journalisten gesprochen.
Wien, 10. Juni 2021 | “Wenn du die Krone hast, hast du die Meinungshoheit”, sagte Heinz-Christian Strache 2017 auf Ibiza. Dessen dürfte sich auch Sebastian Kurz schon lange vor Ibiza bewusst gewesen sein. Denn wie die jüngsten Aussagen eines ehemaligen “Krone”-Journalisten nahelegen, hat der Kanzler schon in seiner Zeit vor der Machtübernahme darauf geschaut, in der mächtigen Tageszeitung gut wegzukommen.
Wir erreichen Thomas Schrems am Donnerstagvormittag. „Es hat sich in mir einiges angestaut in den letzten Jahren, die jüngsten politischen Ereignisse haben mich nun dazu gebracht, etwas für meine psychische Hygiene zu tun“, mit diesen Worten beschreibt der ehemalige Leiter des Chronik-Ressorts der „Krone“ die Beweggründe für seinen Facebook-Beitrag.
Der nunmehrige Ghost-Writer und Autor hat dem Journalismus nach 26 Jahren den Rücken gekehrt. Vor acht Jahren, im Jahr 2014, hat er die “Krone” verlassen. Den Aufstieg von Kurz hat er hautnah miterlebt. Von dessen Zeit bei der JVP, als Integrationsstaatssekretär bis zum Aufstieg ins Außenministerium war er regelmäßiger Begleiter des aufstrebenden Politikers, bis er genug hatte vom alltäglichen „Wahnsinn“, wie er im Gespräch mit ZackZack zugibt.
Ein Kaffee in der “Krone”-Kantine
Am Mittwoch veröffentlicht Schrems auf Facebook einen persönlichen Brief an Kurz. Es ist der Tag, an dem der Kanzler durch neue veröffentlichte Chats mit Ex-ÖBAG-Vorstand Thomas Schmid weiter unter Druck gerät.
Schrems schreibt unter anderem über seine erste Begegnung mit Kurz in der „Krone“-Kantine. Der Kanzler, damals noch frisch gebackener Integrationsstaatssekretär, sei gemeinsam mit seinem „Bullterrier“ (Gerald Fleischmann, Red.) von seiner „Chefin und Innenministerin“ (Johanna Mikl-Leitner, Red.) losgeschickt worden, um sich im Pressehaus in der Wiener Muthgasse, „dem wahrhaftigen Zentrum der Macht, anzudienen“. So sei es stets Usus gewesen, sich als neues Gesicht in der Bundesregierung bei der „Krone“ erstmal „vorzustellen“. Und so habe neben Herausgeber und Chefredakteur auch Schrems Bekanntschaft mit Kurz gemacht, es sei eine lange und durchaus persönliche Beziehung zwischen Journalist und Politiker entstanden.
Gemeinsame Reisen, regelmäßige Telefonate
Dass Kurz mit regelmäßigen Telefonaten seine Kontakte zu Journalisten pflegt und Meinungen einholt, ist bekannt. So hätten auch Schrems und der nunmehrige Kanzler damals das „Du“-Wort gepflegt. Der Ex-Journalist schreibt etwa über „jenen Sonntag“, an dem Kurz ihn angerufen habe, um ihn zu fragen, ob er den Job als Außenminister annehmen solle.
Auch von gemeinsamen Reisen in „aller Herren Länder“ ist im Facebook-Beitrag die Rede. Als Journalist begleitete Schrems Kurz und sein Team oft auf Dienstreisen. So auch nach New York, wo er von Kurz und seinem „Bullterrier“ in einer Rooftop-Bar beinahe in den Pool „zu den halbnackten Mädels“ geworfen wurde. Auch wenn „der Pöbel“ auf diesen Reisen nicht explizit zur Sprache gekommen sei, so sei untereinander (zwischen Journalisten und Politikern) „off-the-record“ schon mal ordentlich „geunkt” worden.
Hier der komplette Facebook-Beitrag:
“Geben und Nehmen”
Schrems bestätigt mit seinen Aussagen ein Bild der “Verhaberung” zwischen Politik und Medien, die unter Türkis ein neues Level erreicht habe. Dies wird vor allem seit Kurz’ Machtübernahme kritisiert, sei aber bei weitem kein neues Phänomen, wie Schrems im Gespräch mit ZackZack betont. Auch die “Roten” und die “Freiheitlichen” hätten stets den Kontakt zu Journalisten gesucht, sich jedoch “bei weitem nicht so geschickt angestellt” wie Kurz und Konsorten.
„Und so ging es eben Schlag auf Schlag. Mit dem systematischen Einlullen und Gefällig-Machen von Journalisten. Mit dem alten Spiel aus Geben und Nehmen (da eine exklusive Story, dort Publicity für den aufgehenden Politik-Stern).“,
beschreibt er im Beitrag das Zusammenspiel zwischen Kurz und der “Krone”.
“Wegsehen und schweigen”
Schrems bleibt jedoch selbstkritisch, schließlich habe er „dieses Spiel des Gebens und Nehmens“ selbst jahrelang mitgespielt:
„Bloß, weil sie dich plötzlich am Handy anrufen. Bloß, weil sie dir (rein dienstlich natürlich) die tollsten Reisen anbieten, die besten Exklusivgeschichten, dich in die teuersten Restaurants entführen und so weiter. Und da kann es dann auch passieren, dass man (wenn auch leicht beschämt und mit reichlich Alkohol kompensiert) wegsieht und schweigt …“
Heute, wo er trotz mehreren Angeboten nicht mehr in die Medienlandschaft zurückgekehrt ist, ist Schrems froh, bei dem Spiel nicht mehr mitmachen zu müssen. Er ist aber auch wütend, mit ansehen zu müssen, wie Kurz und “seine Spezis dieses Land untereinander aufteilen, in den Sumpf ziehen und bis zum Erbrechen der Lächerlichkeit preisgeben.”
Hier der gesamte Text des Facebook-Beitrags:
(mst)
Titelbild: APA Picturedesk