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Kurz hat nichts gegen Afghanen – Kommentar

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Kurz hat nichts gegen Afghanen – Kommentar

Kommentar

Corona, Afghanistan – egal. Andere machen Politik, Türkis steckt in einem permanenten Beliebtheitswettbewerb fest. Welche Themen schaden Kurz, welche nützen ihm?

Thomas Walach

Wien, 25. August 2021 | Als die Regierung mit dem Rücken zur Wand stand, wurden alle mit auf die Bühne geholt: Der vom Amt gezeichnete, um Vernunft heischende Gesundheitsminister, die Landeshauptleute – von der ÖVP, und sogar von der SPÖ. Damals, am Ende des Winters, schien es, als würde die Corona-Pandemie völlig entgleiten. Der „Ketchupflascheneffekt“ war nicht in Sicht. Alle wussten: Das Versprechen „in hundert Tagen sind wir alle geimpft“, das wird nicht halten.

In dieser Situation besonnen sich Konsenspolitiker des alten Schlages – Anschober, Schützenhöfer, Ludwig – auf die politische Tradition des Landes und versuchten, die Herausforderung gemeinsam zu meistern. Nicht umsonst hatte Österreich jahrzehntelang als Paradebeispiel für Konsensdemokratie gegolten.

Gutes Thema, schlechtes Thema

Wer aber dachte, im Angesicht der Krise würde Kanzler Kurz sein gewohntes Freund-Feind-Schema ablegen, wäre an echten politischen Lösungen interessiert, wurde enttäuscht. Kaum gingen die Fallzahlen zurück, erklärte Kurz wieder einmal die Krise für beendet. Wir kannten das schon: Ein weiteres „Licht am Ende des Tunnels.“ Doch aus dem „coolen Sommer“ wurde nichts. Das Virus weigerte sich, auf den Kanzler zu hören, und mutierte. Einige Landeshauptleute, allen voran Wiens Michael Ludwig, mahnten zur Vorsicht. Wien entwickelte ein flächendeckendes Testprogramm, gratis.

Die Bundesregierung wollte davon nichts wissen – Kurz hatte doch die Pandemie beendet, sapperlot! „Chefvirologin“ Elisabeth Köstinger wurde wie so oft ausgewählt, um den Landeshauptleuten ans Bein zu pinkeln. Sebastian Kurz ist die tatsächlich politische Entwicklung egal. Ihm geht es ausschließlich um die Umfragen. Das gilt für Corona und es gilt für Afghanistan.

Bei Corona bereitet das den Türkisen Schwierigkeiten. Keine Wählergruppe will mit so großer Mehrheit Einschränkungen für Ungeimpfte wie die Anhänger der ÖVP. Die befürworten das mit überwältigen 82 Prozent. Doch bei den FPÖ-Wählern ist es gerade umgekehrt. Und die darf Kurz nicht vergrätzen, wenn er Sonnenkanzler anstelle des Sonnenkanzlers werden will. Also muss ein anderes Thema her.

Viel leichter tut sich der Kanzler bei der Frage, ob man Menschen vor den mörderischen Taliban-Terroristen retten soll: Da sind die Wähler von ÖVP und FPÖ auf einer Linie. Also wird mit Vollgas rechtsaußen überholt. Selbst Polen und Ungarn retten wenigstens ihre eigenen Verbündeten aus Afghanistan, sogar die AfD setzt sich dafür ein. Berlusconis Forza Italia kritisiert die ÖVP für ihre harte Haltung. Das muss man erst einmal schaffen. Rechts der Forza Italia gab es lange Zeit nichts – außer Salvinis offen faschistischer Lega. Dort steht jetzt auch Österreichs Kanzlerpartei.

Das Richtige tun

Dass Michael Ludwig 300 afghanischen Richterinnen Platz anbietet, kommt gerade Recht. Man könne nicht „alle aufnehmen“ sagt Migrationsexperte Heinz Faßmann. Und Klubobmann August Wöginger will Wiens Bürgermeister erklären, dass man „vor Ort“ helfen müsse. Beide wissen, wie verrückt ihre Äußerungen sind. Faßmann weiß, dass 300 nicht „alle“ sind. Und Wöginger weiß, dass keine Hilfe vor Ort Richterinnen vor Berufsverbot, Zwangsheirat oder Hinrichtung schützen kann.

Doch darum geht es gar nicht. Andere machen Politik, Türkis macht einen Beliebtheitswettbewerb. Es ist nicht so, dass Kurz und die seinen Ausländer hassen. Sie hassen es bloß, für irgendetwas gerade zu stehen.

Titelbild: APA Picturedesk

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