Im Nationalrat wird das neue Whistleblower-Gesetz diskutiert. NGOs bemängeln indes Hürden und Unsicherheit für Hinweisgeber.
Wien | Am Mittwoch soll der lange erwartete Gesetzesentwurf diskutiert werden, mit dem Österreich die EU-Whistleblower-Richtlinie plant umzusetzen. Doch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International und die Bürgerrechtsorganisation epicenter.works kritisieren den Entwurf des sogenannten HinweisgeberInnenschutzgesetzes (HSchG) in einer Aussendung als mangel- und lückenhaft.
„Bestenfalls ist hier von vornherein totes Recht geschaffen worden. Schlimmstenfalls drohen sogar abschreckende Strafen bei Falschmeldungen“, sagt Thomas Lohninger, Geschäftsführer von epicenter.works. Die NGOs kritisieren auch: Die von ihnen in der Begutachtungsphase eingebrachten Kritikpunkte seien nicht berücksichtigt worden.
„Minimalumsetzung“ der Richtlinie
„Es ist das gesamte Gesetz so, wie es gestaltet ist, nicht getragen davon, dass man einen Kulturwandel in Österreich und weg davon will, Dinge unter den Teppich zu kehren“, so Tanja Fachathaler von epicenter.works gegenüber ZackZack. Das sei nicht nachvollziehbar und nur schwer zugänglich für potentielle Whistleblower. Das Gesetz betrifft nämlich nur bestimmte Bereiche.
Eingeschlossen sind erst einmal all jene Bereiche, in der die EU etwas mitzureden hat, beispielsweise Umweltschutz, Lebensmittelsicherheit und Geldwäsche. Die EU habe die Nationalstaaten allerdings aufgefordert, Gesetze zu formulieren, mehr Bereiche einzuschließen, schildert Fachathaler. Das habe Österreich aber nur hinsichtlich Amtsträger-Korruption gemacht. Andere wichtige Bereiche, wie grobe arbeitsrechtliche Verletzungen oder Diskriminierung, sind demnach nicht abgedeckt.
NGO befürchtet Abschreckeffekte
Eine unabhängige Beratungsstelle, die auch psychologische Betreuung von Whistleblowern bietet, wird es ebenfalls nicht geben. Eine solche hatte epicenter.works gefordert, damit sich mögliche Hinweisgeber beraten lassen können, ob eine Meldung ratsam ist. Damit gibt es nun auch niemanden, der juristischen Laien erklärt, unter welchen Umständen sie unter das HSchG fallen. Gleichzeitig droht eine Verwaltungsstrafe in Höhe von bis zu 20.000 Euro – im Wiederholungsfall bis zu 40.000 Euro –, wenn jemand wissentlich eine falsche Anschuldigung erhebt. Zwar muss die Absicht erst nachgewiesen werden, aber epicenter.works ist besorgt, dass diese beiden Bestimmungen mögliche Hinweisgeber abschrecken.
Außerdem: Gibt es keine interne Stelle, an die man sich bei Missständen wenden kann, soll man das künftig bei einer externen Meldestelle tun können, die im Bundesamt für zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) angesiedelt sein wird. Dieses ist dem Innenministerium (BMI) untergeordnet und damit weisungsgebunden. „Mit den diversen Vorfällen rund um die ÖVP, unter deren Leitung das BMI derzeit steht, ist das nicht unbedingt die vertrauensbildendste Maßnahme“, meint Fachathaler.
Überarbeitung gefordert
Die Bundesregierung habe eine große Chance vertan, schwere Missstände von Unternehmen und Behörden abzustellen. „Anstatt Whistleblower vor Repressionen zu schützen, bleibt diesen mutigen Menschen mit diesem Gesetz nur noch der Gang an die Medien oder zur WKStA“, so Lohninger.
Epicenter.works und Amnesty International Österreich fordern, dass der Gesetzesentwurf überarbeitet wird. „Es liegt im Interesse aller Menschen in Österreich, dass Missstände, wie etwa Fälle von Korruption, aufgedeckt werden. Whistleblower leisten dabei einen wertvollen Beitrag, der nicht zu ihrem Nachteil sein darf“, so Annemarie Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich.
Österreich in Verzug
Eigentlich hätte Österreich schon bis Dezember 2021 ein Gesetz zum Schutz von Whistleblowern schaffen müssen. Die entsprechende EU-Richtlinie war bereits im Dezember 2019 in Kraft getreten. Über fünf Monate nach Ablauf der Frist stellte Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) einen Entwurf vor. Weil die Umsetzung so lange auf sich warten ließ, hat die EU-Kommission bereits ein Vertragsverletzungsverfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gegen Österreich eingeleitet. Österreich dürfte mit der Verabschiedung des Gesetzes nun knapp einer Strafzahlung entgehen.
Im Gesetz ist nun eine Evaluierung im Jahr 2026 geplant. Aber die Bürgerrechtsorganisation epicenter.works ist skeptisch, dass sich damit etwas ändern wird, “wenn es jetzt schon so schwierig ist mit so viel Zeit einen Minimalentwurf zu präsentieren.”
Titelbild: EVA MANHART / APA / picturedesk.com