Don’t Panic: Die bittere Wahrheit über die Klimakatastrophe.
Häufig hört man, man dürfe den Menschen keine Angst machen, wenn man sie zum Handeln motivieren will. Man hört auch, dass man den Menschen die Wahrheit in verträglichen Dosen präsentieren soll. Manchmal hört man freilich auch, man solle den Leuten aber nichts vorflunkern. Mal hört man, man solle die Wahrheit sagen, dann wieder, man solle keine Panik verbreiten. Das sind alles sehr vernünftige Ratschläge. Meist lassen sie sich leider nicht unter einen Hut bringen.
Wir werden schon nicht aussterben…
Wir steuern auf eine Klimakatastrophe gigantischen Ausmaßes zu. Sie wird das biologische Leben auf dem Planeten zerrütten und könnte tatsächlich menschliches Leben weitgehend verunmöglichen. Das heißt jetzt nicht, dass die Menschheit unbedingt ausstirbt, vielleicht stabilisiert sich die Katastrophe ja so, dass statt acht Milliarden Menschen eine Milliarde überlebt, oder 500 Millionen. In völlig verwahrlosten Gemeinwesen, in denen der Krieg aller gegen alle herrscht. Oder wie man das dann nennt – „Gemeinwesen“ wird dann nicht mehr der richtige Begriff dafür sein.
Konzentrieren wir uns einmal auf die Fakten: Schon jetzt liegt die Erderwärmung bei 1,3-1,4 Grad über dem vorindustriellen Mittel. Es wird allgemein angenommen, dass bereits in den nächsten Jahren die 1,5-Grad-Marke gerissen wird. Langfristige Prognosen zeigen, dass wir auf die 3-Grad-Marke zusteuern. Das bedeutet für die meisten Landgebiete eine Erwärmung um 6 Grad. Denn die Ozeane erwärmen sich langsamer, und 71 Prozent der Erde sind mit Wasser bedeckt. CO2 und die meisten anderen Treibhausgase bleiben zehntausende Jahre in der Atmosphäre, was heißt: Es hilft zwar, wenn die Welt 2040 CO2-neutral würde, aber es ist ebenso bedeutend, wie viel bis dahin ausgestoßen wird.
Was sind Kipppunkte?
All das sind die völlig unbezweifelbaren Fakten. Darüber hinaus gibt es die Prozesse, die nicht gänzlich prognostizierbar sind. Gerne wird von „Kipppunkten“ gesprochen, also von jenen Grenzwerten, ab denen Prozesse unkontrollierbar werden – und auch nur beschränkt prognostizierbar. Wenn aufgrund der Erwärmung „in großem Stil die Wälder (sterben), was enorme CO2-Emissionen verursacht. Wenn der Permafrost in der Arktis auftaut“ (Klimaforscher Stefan Rahmstorf). Wenn sich Tiefenströmungen in den Ozeanen umdrehen und damit tief unten gebundenes CO2 an die Oberfläche kommt. Das heißt: wenn menschengemachter CO2-Ausstoß eine gewisse Menge erreicht, geraten zudem unendliche Mengen „natürliches“ CO2 in die Atmosphäre und eskalieren das Geschehen. Dieses ist dann möglicherweise nicht mehr kontrollierbar. Die Folgen von Kipppunkten wirken wieder aufeinander ein, setzen Prozesse in Gang, die man natürlich nicht gänzlich voraussagen kann. Katastrophische Ereignisse wirken aufeinander ein, setzen ein Unheil in Gang, das wieder miteinander rückkoppelt.
Grenzen der Anpassungsfähigkeit
Von den Klimakatastrophen-Beschwichtigern wird gerne angeführt, dass man sich dann eben darauf einstellen müssen, daran anpassen müsse und dass sich das Ökosystem adaptieren würde. Ersteres ist aber nur bis zu einem gewissen Grad möglich. Forscher gehen davon aus, dass „im globalen Mittel bei zwei Grad die Grenze der Anpassung bei Extremwetterereignissen erreicht ist“ (Friedericke Otto). Zu glauben, dass sich das Ökosystem einfach so umstellen könnte, ist auch absurd: Bäume leben in einem ökologischen Umfeld, und es werden sich nicht einfach die Gewächse aus Nordafrika in unseren Breiten entwickeln können.
„Anpassung“ ist auch so ein eigenartiger Begriff. Klar, man kann in den Städten, die sich aufheizen, in allen Wohnungen Klimaanlagen installieren. Man kann auch radikal entsiegeln. Man kann dort, wo sich heute Blechlawinen durch die Städte schieben, innerstädtische Wälder pflanzen (so dass der Gürtel ein wenig aussieht wie der Prater). Und selbst damit lassen wir uns ja zu viel Zeit. Aber wenn es drei Mal im Jahr Überschwemmungen gibt, wie im Vorjahr in Niederösterreich oder im Jahr davor in Slowenien und Kroatien, dann ist die „Anpassung“ – der regelmäßige Wiederaufbau – an seinen Grenzen. Schon ab zwei Grad Erwärmung würden große Teile des Globus um den Äquator herum zu „Todeszonen“ werden.
„Kinder haften für ihre Eltern“
Die Meere erhitzten sich in den vergangenen Jahren schneller als in den Modellen angenommen wurde. Klimaforscher sind geschockt von den neuen Daten. Nach Angaben des EU-Erdbeobachtungsprogramms Copernicus hat die Oberflächentemperatur des Mittelmeers Ende Juni einen Durchschnittswert von 26 Grad erreicht. Das sind drei Grad über den Werten des Referenzzeitraums von 1991 bis 2020. Das führt zu mehr Verdunstung, noch höheren Temperaturen in der Atmosphäre, mehr Feuchtigkeit in der Luft und damit zu noch mehr Extremwetterereignissen.
Die Folgen sind dann vielfältige. Die Ernährungssicherheit bricht zusammen, das Angebot an Weizen etc. sinkt. Das treibt den Preis nach oben und führt zu Hungersnöten bei den Armen und zu exorbitant steigenden Lebenshaltungskosten bei allen anderen. Kurzum: Es hat fürchterliche soziale Folgen auch innerhalb der heutigen reichen Staaten und es hat fürchterliche soziale Folgen im globalen Maßstab. „Kinder haften für ihre Eltern“, haben wir zu einem Prinzip gemacht. Wobei wir letztlich selbst die Betroffenen sein werden. Schon 2040 wird es sehr ungemütlich sein. Und dann bin ich gerade einmal 75. Also langsam reicht auch der ganz normale Egoismus, um zum Schluss zu kommen, dass wirklich schleunigst etwas unternommen werden muss.