Montag, Juli 21, 2025

Meta-Medien oder vox humana

In jüngsten Diskussionen haben wir wieder erlebt, wie rechtsextreme, von Milliardären finanzierte Medien den Diskurs verschieben. Größer als die Gefahr der Meta-Medien ist der Imitationseffekt, den sie auf Zeitungen und öffentlich-rechtliche Sender haben.

In Zeiten der Zensur sind Medien wertlos. Zumindest jene, die noch publizieren dürfen. Aus einem Grund: Weil sie noch publizieren dürfen. Das Wegschaffen des Widerspruchs durch Gewalt und Verbot offenbart die geistige Haltung der Zeit. Im totalitären Zeitalter sind Widerspruch und Antithese unerwünscht. Für die totalitäre Herrschaft ist ein Lügner nicht jemand, der absichtlich die Unwahrheit sagt, sondern jemand, der den oder die Herrschenden nicht bejubelt.

Es gibt nur mehr eine Meinung in der Diktatur; und daher keine. Denn wenn man die eine Meinungen haben muss, ist es keine Meinung mehr. Positionierung ist nur etwas wert, wenn man sich die Position aussuchen kann. Für einen freien Diskurs ist es im Gegenteil essenziell, dass es Antithese und Widerspruch gibt. Daher muss man sich in einem politischen Spektrum geradezu wünschen, dass es zu einer Position auch Positionen links und rechts davon gibt.

Ausgrenzung und Konformismus

Der Begriff der Zensur wird allgemein zu eng gefasst, wenn man ihn darauf reduziert, dass eine bestimmte Regierung über bestimmte Behörden oder einen Machtapparat die Verbreitung bestimmter Inhalte untersagt oder unterbindet. Viel subtiler, breiter und definitorisch schwerer fassbar ist jene Zensur, die bestimmte Standpunkte zuerst marginalisiert und schließlich als nicht mehr sagbar ausgrenzt. Diese Verschiebung des Diskurses reicht aus, um Positionen verschwinden zu lassen.

Dabei sind nicht nur Mechanismen der Ausgrenzung am Werk, sondern auch Mechanismen des Konformismus. Menschen fühlen sich dazu gedrängt oder eher der Gesellschaft zugehörig, wenn sie bestimmte Sichtweisen und Ausdrucksweisen übernehmen, auch wenn sie die Dinge anders sehen oder ausdrücken möchten.

Journalisten machen Wahlkampf

Um diesen Trend zu verstärken gibt es Meta-Medien. Meta-Medien sind anders als traditionelle Medien, die gegründet wurden, um einen bestimmten Informationsauftrag zu erfüllen. Für Meta-Medien – alle österreichischen Boulevardmedien sind dafür typisch – ist nicht Informationsvermittlung das Ziel, sondern Publikumswirksamkeit. Das bedeutet, dass sie nicht aus reinen weltanschaulichen oder ethischen Prinzipien produziert werden, sondern um damit Geld zu verdienen. Inmitten ihrer Tierecken, Horoskope und Promi-News nimmt die Politik einen kleinen Platz ein. Dort aber ist Diskurs kein Thema. Wie am Stammtisch, wo einander zu widersprechen als Streit gilt und somit negativ behaftet ist, gibt es dort eine Meinung, die man haben muss. Das Medium versteckt sich dabei hinter dem Vorwand, es produziere das, was die Menschen lesen und hören wollten.

In einer vortrefflichen Studie hat Holger Rust schon 1991 nachgewiesen, dass es dabei keine Dialektik innerhalb des Mediums gibt. Sein Feld ist in diesem Fall die Berichterstattung der Neuen Kronen Zeitung im Präsidentschaftswahlkampf 1986. Und er kommt zum Schluss, dass alle Politjournalisten des Blattes ausnahmslos für Waldheim Wahlkampf gemacht haben und es keine Gegenstimmen in diesem Medium gibt.

Schleichender Themenwandel

Das Meta-Medium ist also ein reines Instrument der Diskursverschiebung. Heute, in der Zeit, in der die Oligarchie die Demokratie verdrängt – in dem einen Land noch hinter vorgehaltener Hand, in dem anderen bereits offen und seine Demokratiefeindlichkeit öffentlich ausdrückend – ist es daher naheliegend, dass Milliardäre Medien aufkaufen oder gründen und für diese Zwecke einsetzen. Auch ist die Publikumswirksamkeit heute nur mehr sekundäres Ziel des Boulevardmediums. Das oberste ist, möglichst hohe Förderungen vom Staat und/oder Oligarchen zu erhalten. Und so verkümmert die Ethik in der Informationsvermittlung immer mehr.

Milliardären in den Arsch zu kriechen gilt heute nicht mehr als anstößig. Insofern schöpfen diese Medien, weil auch keine Skills bei den Schreibenden voraussetzend, aus dem Vollen. Sie agieren und agitieren unter dem permanenten Vorwand, die Stimme der Rechten müsse auch gehört werden, der Wutbürger und der besorgte Bürger (meist Euphemismen für Menschen, die drohen Asylantenheim in Brand zu setzen oder es wirklich tun) müsse auch gehört werden. Dieses Auch ist freilich eine Finte. Es stellt eine vermeintliche Meinung als bedroht dar. Auf diese Weise sind seit 2015 zu Thema Zuwanderung und Migration ausschließlich rechtsextreme Ansichten in traditionelle Medien und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gelangt, während dort in derselben Zeit keine einzige linksextreme Position auch ihren Platz fand.

Diskursverschiebung seit 2015

Seit 2015 ist diese Diskursverschiebung also in dauerndem Gang. Und sie hat Erstaunliches geleistet. Sie hat besonnene und nicht-radikale Journalisten dazu gebracht, Dinge zu schreiben wie Wir brauchen eine Antwort auf die Ausländerfrage. Selbstverständlich wird niemals geklärt, wie denn diese Frage lautet oder was ein Ausländer ist. Der Code in diesem Satz wird ohnehin überall verstanden, wo er verstanden werden soll. Und von der Ausländerfrage zur Judenfrage ist es nicht mehr weit.

Zu keiner Zeit in diesen zehn Jahren, schrieb irgendwo eine oder einer: Die westlichen Industriestaaten sind der größte Verursacher und Profiteur von weltweiten Migrationsbewegungen. Und das, obwohl wir in Pflege, Gesundheitswesen, Gastronomie, Tourismus, Zustellung und Logistik jeden Tag sehen, dass unsere Gesellschaft ohne Migranten morgen stillsteht. Je nach gerade gewünschtem propagandistischen Inhalt werden sie einmal als Ausländer, dann als Zuwanderer, dann als Flüchtlinge, dann als Migranten, dann wieder als Asylanten bezeichnet, ohne dass eine Unterscheidung stattfindet.

Pseudo-Journalisten keulen öffentliche Meinung

Nun erleben wir gerade, wie die Meta-Medien in Deutschland in einen innenpolitischen Kurs eingreifen und ganz von selbst jene rechtsextreme Sprache entfesseln, der mit seiner Diskursverschiebung beim zwar publikumslosen aber oligarchenfinanzierten Nius beginnt, aber sofort direkte inhaltliche Wirkung auf Zeitungen wie die Welt oder das ZDF zeigt. In einem beängstigenden Reflex weicht der Opportunist der nur scheinbaren Macht. In diesem Mitläufertum aber liegt die weitaus größere Gefahr als im Gekläffe der Exxpress-Nius-Schreiberlinge, die alle gemeinsam haben, dass kein einziger von Ihnen je eine dialektische Betrachtung oder einfach nur einen gehaltvollen Artikel verfasst hat. Sie sind erniedrigt vom Kapital, das ihr Auftraggeber ist. Die Angst vor dem Kapital macht sie zu Werkzeugen der Zensur und der angestrebten Oligarchie, ohne dass sie davon profitieren. Und manchmal frage ich mich, ob sie das nur verdrängen oder tatsächlich selbst nicht mehr feststellen können.

Heinrich Mann schrieb:

Eine neue Ordnung der Wirtschaft ist nötig, damit der Mensch die Besinnung wiederfindet und nicht, wie jetzt, von der Furcht vergeht, sich ganz zu verlieren. Das ist die namenlose Furcht dieser Zeiten, namenlos bei allen Namen, die man ihr gibt. Was wollen wir? Über den Zusammenhang der Dinge, Tatsachen, Instrumente soll sich nochmals beherrschend erheben unsere Stimme: vox humana.

Meta-Medien oder vox humana? Oligarchie oder Demokratie? Noch haben wir die Wahl.

Autor

  • Daniel Wisser

    Daniel Wisser ist preisgekrönter Autor von Romanen und Kurzgeschichten. Scharf und genau beschreibt er, wie ein Land das Gleichgewicht verliert.

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