Dienstag, August 19, 2025

Affäre „Pilnacek“: Kampf um Kurz-Aussage

Im Prozess, in dem der ÖVP-Polizeichef mein Pilnacek-Buch verbieten lassen will, ist Sebastian Kurz der wichtigste Zeuge. Jetzt wird alles getan, um seine Ladung zu verhindern.

Am letzten Mittwoch stand Caroline List als Zeugin vor Gericht. Die Grazer Gerichtspräsidentin und Pilnacek-Witwe hatte längst zugegeben, dass sie im Herbst 2023 zum Bunsenbrenner gegriffen hat. Mit dem Pilnacek-Handy hat sie die letzten Nachrichten und Kontakte des Sektionschefs verschmort, die von Sebastian Kurz und wohl noch von einigen weiteren einschlägigen Herren.

Präsidentin List, so haben wir von einem Ex-Presse-Redakteur erfahren, hat das Beweismittel nicht allein vernichtet. Aber am Mittwoch im Wiener Landesgericht war sie nicht bereit zu sagen, wer dabei war, wer das Handy gehalten hat und wer den Bunsenbrenner bedient hat.

Ich kann mir ungefähr vorstellen, was passiert wäre, wenn ein Zeuge bei ihr als Richterin diese Aussage verweigert hätte. Aber warum will Präsidentin List nicht, dass bekannt wird, wie das Handy verbrannt wurde? Warum sollen wir nicht erfahren, wer dabei war und wer durch ihre Entsorgung einige Sorgen los war?

Kein Bunsenbrenner-Solo

Eines scheint klar: Es war keine Solo-Vernichtung im Affekt. Aber wie war es wirklich? Jede Zeugin hat diese Frage zu beantworten. Bei einer Gerichtspräsidentin kommt noch eines dazu: Sie weiß genau, was sie getan hat.

Caroline List behauptet zweierlei: Sie habe das Handy einige Wochen nach Pilnaceks Tod verbrannt; und sie habe zu diesem Zeitpunkt mit Sicherheit gewusst, dass es kein Beweismittel sein könnte, weil die Todesursachen mit „Selbstmord“ oder „Unfall“ bereits feststand.

Das hat allerdings einen Haken. Als Pilnacek-Witwe bekam List am 9. November 2023 Akteneinsicht. In keinem einzigen Aktenstück stand im November 2023, dass sich Pilnacek das Leben genommen habe oder einem Unfall zum Opfer gefallen sei. Nirgends war festgehalten, dass das Handy als Beweismittel nicht gebraucht würde. Das alles findet sich schriftlich erst viel später, als die Ermittler des Landeskriminalamts St. Pölten plötzlich selbst im Mittelpunkt von Untersuchungen standen und sich rechtfertigen mussten.

Und noch etwas kommt dazu: Kurz nach Pilnaceks Tod meldete sich Sebastian Kurz telefonisch bei List. In ihrer Einvernahme bei der WKStA gab die Präsidentin an: „Ich habe Kurz jedenfalls im Zuge des Anrufes gefragt, wie er öffentlich behaupten könne, dass Christian Selbstmord begangen habe. Das war zu diesem Zeitpunkt für mich nicht vorstellbar. Christian hat mir gegenüber immer wieder gesagt, dass Selbstmord für ihn keine Lösung sei und nicht in Frage komme.“

Wenn Selbstmord nicht vorstellbar war – wie konnte List dann glauben, dass das Handy entsorgt werden durfte?

Kurz und der Selbstmord

Aus den Akten konnte die Präsidentin nicht wissen, dass sie mit dem Handy machen konnte, was sie wollte. Die Selbstmord-Legende war bis dahin nur von einem öffentlich verbreitet worden: von Sebastian Kurz, wenige Stunden nach Pilnaceks Tod. Am Rande seines Prozesses wegen falscher Zeugenaussage erklärte Kurz: „Ich habe gestern Abend noch mit ihm telefoniert, und wenige Stunden später hat er sich das Leben genommen.“

Woher hatten Präsidentin und Ex-Kanzler ihr Wissen? Caroline List hat sich jedenfalls beim Prozess um das Verbot meines Pilnacek-Buchs geweigert, entscheidende Fragen zum Handy zu beantworten. Sebastian Kurz steht als einer der Nächsten auf der Zeugenliste.

Anwalt als Ersatz

Jetzt wird alles getan, um die Kurz-Ladung zu verhindern. Rechtsanwältin Linda Poppenwimmer, die von Florian Klenk einst als „Maulwurf in der WKStA“ beschrieben wurde, kämpfte letzten Mittwoch mit allem, was sie hatte, gegen die Kurz-Ladung. Sie bot Kurz-Anwalt Otto Dietrich als Ersatz für den Ex-Kanzler: „Er könnte berichten, wie er selbst Kurz informiert hat, dass Pilnacek tot ist“.

Aber darum geht es nicht. Wir wollen wissen, von wem Kurz wusste, dass es „Selbstmord“ war. Das kam nicht von Dietrich. Als Kurz am 23. Oktober 2023 gegen 17.00 Uhr seine Pilnacek-Erklärung abgab, wussten nur wenige in Landeskriminalamt St. Pölten und Innenministerium in Wien, dass die Weichen auf Selbstmord gestellt waren.

Kontakte spielen lassen

Ex-Presse-Redakteur Rohrhofer weiß auch hier mehr: „Sebastian Kurz hat natürlich Kontakte, und er hat diese Kontakte spielen lassen und hat dann sich natürlich auch erkundigt und hat den Ermittlungsstand de facto bekommen.“

Damit wird immer klarer, was geschehen ist:

  1. Die Ermittler der niederösterreichischen Kripo hatten kurz nach Auffinden des Leichnams weder Obduktion noch Auswertung von Datenträgern abgewartet und im Schnellverfahren intern „Selbstmord“ zur Todesursache erklärt;
  • In der Staatsanwaltschaft Krems wusste zum Zeitpunkt der Kurz-Erklärung niemand von der Selbstmord-Legende des Landeskriminalamts. In keinem der Berichte an die Staatsanwaltschaft kam das Wort „Selbstmord“ oder „Suizid“ vor;
  • Das Landeskriminalamt St. Pölten war damit am 20. Oktober 2023 nicht an die Öffentlichkeit gegangen;
  • Kurz wusste mit „Selbstmord“ schon früh etwas, was zu diesem Zeitpunkt niemand außerhalb des Landeskriminalamts und des Innenministeriums wissen durfte;
  • Und: In den Tagen vor Kurz-Prozess und Selbstmord gab es eine Frage: Wer vorbereitet Sebastian? Die Antwort lautete „Pilnacek“. Der suspendierte Sektionschef war der geheime Berater des Ex-Kanzlers für dessen Strafprozess.

Wahrheitspflicht

Wer hat Kurz den Selbstmord gesteckt?  Welche „Kontakte“ hat Kurz „spielen lassen“? Das ist die Schlüsselfrage und Kurz ist damit der Schlüsselzeuge. Von Bundespolizeidirektor Takacs abwärts will eine Schar verlässlicher Polizeichefs mein Pilnacek-Buch verbieten lassen, weil darin genau das beschrieben ist:

  • wie schon Wochen vor der Obduktion „Selbstmord“ als Todesursache feststand;
  •  das Handy damit kein Beweismittel war und nicht ausgewertet werden musste;
  • und damit Pilnaceks letzte Nachrichten mitsamt ihrem Datenträger „Handy“ entsorgt und vernichtet werden konnten.

Genau darum geht es in Buch und Prozess. Und genau darum muss Kurz als Zeuge aussagen, unter Wahrheitspflicht. Er weiß ja inzwischen, was das ist.

p.s.: Solange es nicht verboten ist, gibt es mein Pilnacek-Buch hier, gerne auch mit einer persönlichen Widmung.

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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