Kurz, Nehammer und Kogler:
Sebastian Kurz macht aus seiner Regierung eine AfD. Dafür lässt er seinen Innenminister auf Flüchtlinge, die es derzeit nicht gibt, los. Die Empörung gegen die Unmenschlichkeit ist als Verstärker einkalkuliert.
St. Katharein, 22.8.2021 Wenn man in die Falle getappt ist, hat man mehrere Möglichkeiten:
- Leugnen: „Das ist keine Falle, ich bin freiwillig da!“
- Wundern: „Wo bin ich jetzt eigentlich?“
- Ärgern: „Wie kann man nur so blöd sein…“
Also, ich war so blöd. Ich bin der Kurz-Propaganda in die Falle gegangen. Als Kabul an die Taliban gefallen war und Innenminister Nehammer weiter nach Afghanistan abschieben lassen wollte, tat ich genau das, was von mir erhofft und erwartet wurde: Ich empörte mich und kritisierte den Minister im Bereich der Gürtellinie.
Dabei habe ich alles Wesentliche übersehen: Nehammer verletzt Menschenrechte und Strafgesetze nicht, weil er ein schlechter Mensch, sondern weil er Soldat ist. Als Soldat dient er nicht dem Bundesheer, sondern seiner Partei. Sein Befehl lautet: „Führ dich so auf, dass Kickl neben dir blass wirkt.“ Und: „Mach das so lange, bis sich die Linken empören, so wie sonst bei der FPÖ.“ Das alles ist Nehammer gelungen, weil er mit den Reflexen von uns Gutmenschen rechnen konnte.
Propaganda und Zerstörung
In der Sache haben wir wohl recht. Nehammers Versuch, Menschen gerade jetzt nach Afghanistan abzuschieben, wird nicht nur von Frank Höpfel, dem renommierten Strafrechts-Professor der Uni Wien, als Mordversuch gewertet. Gut ausgebildete Lehrlinge, die in Kabul an die Wand gestellt werden, fehlen in österreichischen Betrieben. Geschlossene Grenzen von Afghanistan, dem Iran und der Türkei bis Griechenland, Kroatien und Slowenien sorgen dafür, dass diesmal statt einer Flüchtlingswelle fast nichts auf Europa zukommt. Die Menschen, die flüchten müssten, sind in ihren Staaten eingesperrt. Und für die gezielte Aufnahme einer kleinen Zahl besonders bedrohter afghanischer Frauen, die in Afghanistan als Lehrerinnen, Ärztinnen und Künstlerinnen um ihr Leben fürchten müssen, ließe sich eine Mehrheit finden – wenn man nicht ganz anderes vorhat.
Die Tatsachen sprechen unsere Sprache. Aber es geht nicht um die „Sache“. Es geht um das Prinzip, die Macht mit Propaganda und Druck, mit Desinformation und Lügen zu verteidigen. Und diesmal geht es auch um die Zerstörung des Koalitionspartners.
AfD in Wien
Kurz weiß, dass die Grünen unter Wallner, Kogler und Maurer alles mit sich machen lassen. Also macht er alles mit ihnen. Alles – das ist die Positionierung der türkis-grünen Bundesregierung als AfD. Wer im deutschen Parteienspektrum nach der aktuellen Haltung der österreichischen Regierung sucht, findet sie von Bayern bis Brandenburg nur bei der AfD. Aber Kurz geht es um mehr: Er will mit seinem Projekt des ersten Orbán-artigen Regimes in einem westeuropäischen, deutschsprachigen Land zeigen, dass diese Art zu Regieren genau das ist: die AfD – die Alternative für Deutschland nach Merkel.
Es war für die Grünen schwer genug, bei blauer Politik mitzulaufen. Aber beim Aufbau einer regierenden AfD in Wien mitzumachen, das bringt viele Grüne an die letzte Grenze ihrer Loyalität. Am Ende wird Kurz finden, wann der richtige Zeitpunkt für die Entsorgung der Reste einer Partei, die einmal die Alternative für Österreich war, gekommen ist.
Für uns ist auch in Zukunft der Pawlow´sche Hund ein Hund und kein Vorbild. Wenn wir vor Empörung toben, sind wir die gratis-Verstärker für Kurz und Nehammer. Wer über Tatsachen und Alternativen berichtet und Kurz dort angreift, wo ihm kaum jemand folgen kann, wird wirksam. „Dort“ – das ist die Auseinandersetzung um Gerechtigkeit und Umwelt, das ist ein wirkungsvoller Kampf gegen Covid und Korruption.
Das Kurz-Regime steht noch immer auf dünnen Beinen. Warum soll man sie nur anpinkeln?
Titelbild: APA Picturedesk