Claudia Plakolm würde in ein Trump-Kabinett passen. Das ist kein Kompliment.
Es gibt hochgebildete Kommentatoren wie Stefan Winkler von der Kleinen Zeitung, die Donald Trump dankbar sind, für zweierlei: weil er als „Weltpolizist“ versucht, Ordnung zu schaffen; und weil er auf brachiale Art Europa von außen eint. Der Weltpolizist hat sich inzwischen von Moskau bis Teheran blamiert. Aber die Geschichte mit Europa ist komplizierter.
Hinter Winklers Aufruf steckt eine Hoffnung: Weil das alte Europa von Demokratie, Rechtsstaat und Pressefreiheit, von offenen Universitäten und offenen Grenzen, das gebildete und liberale Europa nicht mehr von selbst zusammenfindet, könnte es von Trump zusammengetrieben werden. Es könnte sich quasi selbst in den Schoß fallen.
Winklers Traum deutet darauf hin, dass gerade etwas Wichtiges verloren geht. Ein kurzes Jahrhundert war Europa der friedliche Kontinent, auf dem alles besser war als im Rest der Welt. Es war eine große Insel der Seligen. Das ist wahrscheinlich vorbei. Aber was wird aus Europa und was damit aus Österreich und aus uns selbst?
Rückzug in Brüssel
In Brüssel ist die Kommission unter Ursula von der Leyen am Rückzug. Auf Druck der rechten Parteien gibt sie gerade den Klimaschutz auf – wahrscheinlich im letzten Moment, in dem gezielte Politik noch eine Chance gegen die beginnende ökologische Verwüstung Europas hätte. Das soziale Europa ist in weite Ferne gerückt. Das Einzige, worauf man sich in Brüssel noch einigen kann, sind die 800 Milliarden Euro, die für die militärische „Readiness 2030“ ausgegeben werden sollen.
Die Kurse europäischer Rüstungskonzerne sind bereits um 100 Milliarden Euro gestiegen. Mit fast allem anderen geht es dafür bergab: mit der großen europäischen Umstellung auf Solarenergie, mit öffentlicher Infrastruktur, mit Universitäten und Schulen, mit Gesundheit und Pensionen. Für sie fehlt immer öfter das Geld.
Big beautiful Europe
Genau das ist auch der Plan von Donald Trump. Seine „Big Beautiful Bill“ verteilt um: von Schulen, Spitälern, Universitäten und sozialer Sicherheit zu Reichen und Militär. Bei Trump wirkt es wie eine große Faschiermaschine, in die das alte Amerika hineingestopft wird und als Trump-Brei gut formbar wieder herauskommt. In Europa wird nicht faschiert, sondern nach Art der Salami Scheibe für Scheibe abgeschnitten, zuerst die Umwelt, dann das Soziale – und ein Staat nach dem anderen.
Mit Italien, Ungarn, der Slowakei und wahrscheinlich wieder Polen verfügt Trump über vier Brückenköpfe in der EU. Die Aktion „Big beautiful Europe“ ist von den Niederlanden über Schweden und Finnland bis Frankreich längst im Gange. Wenn es auch noch die AfD in Berlin schafft, ist es in Brüssel vorbei.
Vier ohne Ahnung
Wohin es in Brüssel geht, das entscheidet sich „vor Ort“, in den nationalen Regierungen. Und damit bin ich wieder in Wien und bei vier Namen: Gerhard Karner. Klaudia Tanner. Claudia Plakolm. Norbert Totschnig. Alle vier eint eines: Sie wissen nicht, was sie tun, weil sie keine Ahnung haben, was dort, wo sie von ihrer Partei hingeschoben worden sind, zu tun wäre.
Egal, ob sich Karner zur Spionageabwehr oder zum Waffengesetz äußert; ob Totschnig Umweltschutz auf Freiwilligkeit und damit auf Beliebigkeit umstellt; ob Tanner mit Milliarden, die ihr das neue Bekenntnis zur Aufrüstung ins Ressort gespült hat, Waffen shoppen geht; und ob Plakolm irgendetwas sagt, von dem sie auch keine Ahnung hat – es sind Offenbarungen eines Tiefpunktes des Regierens. Wozu sollte man etwas können, wenn man nichts vorhat, für das man Sachverstand und Engagement braucht?
Alle vier eint noch eines: Sie würden in ein Trump-Kabinett passen. Ein Beispiel gefällig? Plakolm erklärt, warum sie die Flüchtlingskonvention ändern will: „Es geht um Fälle, wo Menschen auf dem Weg nach Österreich durch andere sichere Drittstaaten, etwa den Irak, gezogen sind.“ Wahrscheinlich kennt sie den Irak nicht so genau, weil er sich bekanntlich auf der anderen Seite der Scheibe „Erde“ befindet.
Beifang
Die ÖVP ist damit wie CDU/CSU eine der konservativen Parteien, die sich selbst aufgegeben haben. Mit dem Streit um eine SPD-nahe Verfassungsrichterin hat auch in Berlin der Kulturkampf in der Koalition begonnen. Für das, was einmal linksliberal war, gibt es auch im Berliner Verfassungsgericht bald keinen Platz mehr. Für das, was die AfD vertritt, öffnen sich die Türen.
Die sozialdemokratischen und grünen Parteien, die unter schwarzen Kanzlern ihr Bestes versuchen, werden mit nach unten gezogen. Sie starten als Beifang und enden als Kollateralschaden.
Unnötige Fetzen
Damit bin ich wieder beim Anfang. Donald Trump wird das alte Europa nicht mehr gegen sich einigen, weil es längst zerfällt, in einen Block der neuen Rechten und eine andere Seite, die noch nicht weiß, wie sie dagegenhalten soll.
Wenn man wissen will, wie es weitergeht, muss man nur der Spur der Trump-Verwüstung folgen. Sie hat gerade mit dem Wall Street Journal eine der wichtigsten Zeitungen der USA erreicht. Der Präsident schlittert in die Epstein-Affäre, und das Wall Street Journal hat einen belastenden Brief, den Trump Epstein geschickt haben soll, veröffentlicht. Trump klagt die Zeitung auf zehn Milliarden Dollar. Für ihn ist sie ein „useless rag“, ein „unnützer Fetzen“, den man einfach mit einer SLAPP-Klage vernichtet.
Das droht Medien, die sich in den Weg stellen. Ein Blick nach Österreich zeigt, dass es dazu eine Alternative gibt: Medien entsorgen sich selbst. Sie schreiben nicht mehr über Raiffeisen und die ÖVP-Finanzen und über die Putin-Geschäfte des Industriellen-Präsidenten. Über René Benko haben sie erst dann geschrieben, als er sich kaum noch wehren konnte.
Die SLAPP-Millionenklage hat Benko damals gegen uns eingebracht. Wir haben sie überstanden, auch, weil unser Rechtsstaat in weiten Bereichen noch funktioniert. Noch.