Die Bilder des Vereins gegen Tierfabriken (VgT) vom schrecklichen Umgang mit Hühnern in steirischen Mastbetrieben hat nun eine Diskussion ausgelöst.
Wien | Schockierende Bilder und Videos legte der VgT am Montag offen. Qualvolle Zustände in einem Geflügelschlachthof. Das Bildmaterial entfachte eine Debatte zum Wochenstart. Die Dachorganisation der österreichischen Geflügelwirtschaft forderte etwa eine “ehrliche Diskussion über die herrschenden Sachzwänge und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in unserer Branche” statt einer “unproduktiven Entrüstung” über einseitig dargestellte Probleme, hieß es am Montag. Der VgT prangerte u.a. massive Tierquälerei an.
Hof soll AMA-Gütesiegel tragen
Die nun neu veröffentlichten Szenen von Oktober und November 2022 aus einem Schlachthof würden den rohen Umgang mit den Tieren und skandalöse Missachtungen der Hygiene zeigen, berichtete die Tierschutzorganisation. Der Fall sei zur Anzeige gebracht worden. Laut VgT soll der Schlachthof nach Angaben auf seiner Homepage das AMA Gütesiegel tragen. Die AMA werbe mit “kontinuierlicher Verbesserung der Qualität und Transparenz entlang des gesamten Herstellungsprozesses”. “Es ist anzuzweifeln, dass Konsumentinnen und Konsumenten diese Zustände als ‘verbesserte Qualität’ sehen”, sagte David Richter vom VgT. “Wir können bei diesem zigtausendfachen Tierleid in Österreichs Schlachthöfen nicht einfach zusehen – und die österreichische Bevölkerung sicherlich auch nicht. Wir fordern die Verantwortlichen in Wirtschaft, Handel und Politik auf, Verbesserungen endlich umzusetzen. Von den Behörden erwarten wir eine genaue Ermittlung der Missstände.”
“Verstöße gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen lehnen wir klar ab, so etwas darf es nicht geben und das wird hierzulande auch konsequent verfolgt”, sagte dazu Michael Wurzer, Geschäftsführer der Geflügelwirtschaft Österreich. “Wir verwehren uns aber gegen eine scheinheilige Debatte.” Es könne nicht sein, “dass Handel und Konsumenten von der Branche möglichst billige Produkte erwarten und gleichzeitig verleugnen, dass damit in vielen Bereichen entsprechend dimensionierte und optimierte Abläufe unumgänglich werden.”
Geflügelwirtschaft beklagt einseitige Skandalisierung
Seit Dezember letzten Jahres würde der VgT eine “handwerklich durchaus professionelle” Kampagne gegen die Geflügelbranche führen, die “auf einer groß angelegten – und in vielerlei Hinsicht illegalen – Videoüberwachung mehrerer heimischer Betriebe im Herbst 2022 beruht”. Wurzer erklärte, dass diese Darstellung einseitig sei und die vom VgT verbreiteten Bilder “nicht repräsentativ für die Branche und auch nicht für die betreffenden Betriebe sind”, wie laut Wurzer seither erfolgte unabhängige Kontrollen gezeigt hätten.
“Da werden aus tausenden Stunden rechtswidrig produzierten Videomaterials die negativsten Szenen herausgepickt, aber das entspricht nicht den generell hohen Standards in unserer Branche”, so der Geschäftsführer der Geflügelwirtschaft Österreich. Aus seiner Sicht sollte anstelle einer “einseitigen Skandalisierung” viel stärker diskutiert werden, wie die Zukunft der österreichischen Geflügelwirtschaft aussehen soll: “Unsere Gesellschaft muss sich die grundsätzliche Frage stellen, wie sie sich ernähren möchte – was wir essen wollen und was wir bereit und in der Lage sind, dafür auszugeben.”
VgT startet Petition
Auf den Videos des VgT, der nun eine Petition startet, sei zu sehen, wie Arbeiterinnen und Arbeiter Hühner gegen Container schleudern, um den Tieren den Schädel und das Genick zu brechen. “In diesem Bereich werden Tiere nach der Betäubung aussortiert und weggeworfen. Manche sind vermutlich schon tot, andere offensichtlich nicht. Die brutale Gewalt, die sich im Umgang mit den Tieren hier zeigt, ist unfassbar”, so Richter vom VgT. Wiederholt werden die Körper von betäubten Tieren als “Putzlappen” missbraucht und damit Anlagen und Kleidung abgewischt. Aus Hygienesicht sei ebenfalls fragwürdig, dass regungslose, vermutlich sogar schon tote Tiere, vor der Betäubung zu den Lebenden gemischt werden.
Der Schlachthof arbeitet mit einer mehrphasigen Kohlendioxid-Betäubungsanlage, die laut VgT in der Theorie als “fortschrittliche Methode” verkauft werde. Die Praxis zeige jedoch systematische Probleme und Tierleid. Containerweise werden die Hühner in die Anlage gekippt, fallen übereinander, einige bleiben an den Klappen hängen. Dem Gas ausgesetzt, schnappen sie panisch nach Luft, schütteln den Kopf und schlagen mit den Flügeln. “Diese Bilder aus der Gasbetäubungsanlage sind schwer zu ertragen und für die Öffentlichkeit vermutlich neu”, so Richter.
Auch Handel in der Pflicht
Wurzer unterstrich die Unterstützung der österreichischen Geflügelwirtschaft für eine marktangepasste Umsetzung der seitens des VgT erhobenen Forderung nach einer “Europäischen Masthuhn-Initiative”. Rund 70 Prozent der damit verbundenen Standards würden aufgrund der österreichischen Bestimmungen im AMA-Gütesiegel und der hierzulande geltenden EU-weit strengsten Haltungsbestimmungen bereits heute erfüllt, die einzige größere Umstellung sei der geforderte Einsatz langsam wachsender Hühnerrassen. “Wir stehen bereit, das Konzept nach Klärung der Praxistauglichkeit, schnellstmöglich umzusetzen, wenn der Handel hier mitmacht”, so Wurzer.
“Über Jahre hat man Fleisch als Lockmittel zur Kundenwerbung eingesetzt, hat mit ‘Extremaktionen’ das Tier und die bäuerliche Arbeit systematisch entwertet”, kritisierte das auch die Initiative Oekoreich. Die Handelskonzerne müssten hier umdenken, forderten sie. “Wenn sie wirklich was ändern wollen, dann sollen sie den Landwirten endlich ordentliche Preise zahlen und aufhören, den Kunden einzureden, dass sie ein Kilogramm Hühnerfleisch um drei Euro kaufen sollen. Das wäre tatsächlich ein konkreter Beitrag”, so Sebastian Bohrn Mena von der Initiative, Nachfolgerin des Tierschutzvolksbegehrens. “Dubiose, oftmals selbstverliehene Siegel sind hingegen nichts weiter als billige Show. Der Handel muss endlich seiner Verantwortung nachkommen und aufhören, weiter Öl ins Feuer zu gießen, nur um sich anschließend als Löschender zu inszenieren.”
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