Montag, Juli 21, 2025

Sobotkas Parlament gegen Justizministerin: „Aufbereitet von Pil“

Ein neues Pilnacek-Dokument belastet eine Kabinettsmitarbeiterin von Innenminister Gerhard Karner. Ihr Chef war Parlamentspräsident Wolfgang Sobotka.

Am 23. Juni 2025 ist die Affäre „Pilnacek“ im Kabinett von Innenminister Gerhard Karner angekommen. An diesem Tag erhielt Karner-Kabinettsmitarbeiterin Anna G. die offizielle Entbindung von der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit.

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Quelle: WKStA 17 St1/25z

Anna G. hat eine einschlägige Karriere hinter sich. In den Kabinetten im Innenministerium diente sie unter Maria Fekter, Johanna Mikl-Leitner und Wolfgang Sobotka. „Derzeit bin ich im Ministerbüro von Innenminister Mag. Karner“, gab sie auf Nachfrage der WKStA an.

„Aus dem Kreis der ÖVP“

Die Ladung der WKStA an Anna G. im KBM, dem Kabinett des Bundesministers, hatte es in sich: Gegenstand der Vernehmung: Wahrnehmungen zu Interventionsversuchen durch bislang unbekannte Täter (politische Entscheidungsträger aus dem Kreis der ÖVP) zur Beeinflussung staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfahren durch SC Mag. Christian PILNACEK (AZ 17 St 27/23w) sowie zum Verbleib des Laptops des Mag. Christian PILNACEK nach dessen Ableben (AZ 17 St l/25z)“.

Die WKStA hatte auf dem privaten Laptop von Christian Pilnacek eine aufschlussreiche Datei gefunden. Sie stammt aus der Parlamentsdirektion und ist mit dem 29. März 2022 datiert.

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Quelle: WKStA 17 St1/25z, ON 79

Erstellt wurde das zweiseitige Dokument von „Creator G. Anna“.

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G. Anna ist die nunmehrige Karner-Kabinettsmitarbeiterin. Aber wer ist „Contributor cp“? In anderen Dokumenten steht „cp“ für Christian Pilnacek.

Am 8. Juli sagte Anna G. als Zeugin bei der WKStA aus. Bei dem Dokument ließ sie ihre Erinnerung im Stich: „Nach Durchsicht des Ausdruckes aus dem Datenbestand insbesondere unter Hinweis auf den Umstand, dass ich als „Creator“ dieser Datei (Datum: 29. März 2022) aufscheine, die am privaten Laptop von Mag. PILNACEK gefunden wurde, gebe ich an, dass ich dazu keine Erinnerungen habe.“

Aufbereitet von Pil

Oben auf der ersten Seite des Dokuments steht: „Fragen Vrabl-Sanda“. Ilse-Maria Vrabl-Sanda leitet seit vielen Jahren die WKStA. Bernhard W. ist als Gruppenleiter einer der erfahrensten Staatsanwälte, die derzeit für die WKStA arbeiten. Gemeinsam mit einer Kollegin ermittelt er heute im Komplex „Pilnacek“.

Darunter merkt der Verfasser an: „3 Seiten mit Fragen aufbereitet von Pil für Befragung W. kann man auch Vrabl Sanda stellen!“

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Pilnacek und Sobotka

„Pil“ steht offensichtlich für „Pilnacek“. Im März 2022 war der mächtige Sektionschef im Justizministerium bereits mehr als ein Jahr vom Dienst suspendiert. Alma Zadić war Justizministerin und erwartete gemeinsam mit den Staatsanwältinnen der WKStA ihre Befragung im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss.

Das Dokument von Pilnaceks Laptop begründet den Verdacht, dass Pilnacek Fragen gegen die WKStA und seine eigene Ministerin vorbereitet hat und die Parlamentsdirektion zumindest an deren Nutzung und Verteilung beteiligt war.

Parlamentspräsident und Chef von Anna G. war im März 2022 Wolfgang Sobotka.

Aktion gegen Zadić

Weiter unten auf der ersten Seite leitet eine Zwischenüberschrift zu den Fragevorschlägen gegen Pilnaceks Chefin über: „Fragen Zadic“.

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Das Dokument enthält einen Hinweis zur gezielten Vorbereitung: „vor Befragung Zadic/Vrabl-Sanda Empfehlung 103 Seiten Dossier von H. Fuchs (Aktenzahl JV4616/20p-17) zu lesen u. studieren“.

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„JV“ belegt, dass es sich um ein Dokument aus der Justizverwaltung handelt, „20“, dass es 2020 angelegt wurde. “17” bezeichnet die Nummer des Dokuments. Bis heute ist außerhalb der ÖVP kein 103-seitiges Dossier von Hans Fuchs, dem Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, bekannt.

Fuchs galt jahrelang als rechte Hand von Christian Pilnacek. Zahlreiche Chats belegen, dass er gemeinsam mit seinem Chef Pilnacek und Bundeskriminalamts-Direktor Andreas Holzer zu den erbittertsten Gegnern der WKStA gehörte. Das Dossier könnte die Munition, die Pilnacek, Fuchs und andere gegen die WKStA gesammelt haben, enthalten.

Amtsdelikte

Mit dem Dokument der Parlamentsdirektion und den Ermittlungen der WKStA stellen sich Fragen nach der strafrechtlichen Bedeutung des Fundes. Wer hat Pilnacek angestiftet, gesetzwidrig während seiner Suspendierung gegen die eigene Ministerin zu arbeiten? Sind hier in der Parlamentsdirektion und im Justizministerium Amtsdelikte begangen worden? Haben Beteiligte nicht nur ihre Macht, sondern auch ihr Amt missbraucht?

Anna G. arbeitet heute im Kabinett von Innenminister Gerhard Karner. So wie Wolfgang Sobotka wird sie spätestens im Pilnacek-Untersuchungsausschuss zur Wahrheitsfindung beitragen können.


Titelbild: HELMUT FOHRINGER / apa / picturedesk.com, EVA MANHART / APA / picturedesk.com, ROLAND SCHLAGER / APA / picturedesk.com, Christopher Glanzl

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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