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Heinz Fischer kritisiert ÖVP scharf – »Man versündigt sich an Menschenrechten«

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Heinz Fischer kritisiert ÖVP scharf – »Man versündigt sich an Menschenrechten«

»Man versündigt sich an Menschenrechten«

Ungewöhnlich scharfe Kritik an der Kanzlerpartei ÖVP kommt vom Alt-Bundespräsidenten Heinz Fischer. Er thematisierte die ÖVP-Attacken auf die Staatsanwaltschaft und „die Belastbarkeit unserer Demokratie“.

 

Wien, 13. September 2021 | Der ehemalige Bundespräsident Heinz Fischer hat in seiner Festrede am Sonntag anlässlich der Eröffnung des Internationalen Linzer Brucknerfests die ÖVP mit deutlichen Worten kritisiert.

Fischer erinnerte an die immer wieder angedachten Abschiebung in das von Taliban besetzte Afghanistan. “Was die Demokratie gefährdet, gefährdet auch die Menschenrechte und umgekehrt. Dabei geht es aber nicht nur um die eigenen Menschenrechte, sondern immer auch um Menschenrechte und Menschenwürde anderer Menschen und in anderen Staaten; auch in Syrien, auch in Belarus, auch in Afghanistan.”, betonte Fischer. Und “wenn man in ein Land, in dem Menschenrechte so grausam verletzt werden wie im Afghanistan der Taliban, Menschen abschiebt oder abzuschieben versucht, dann versündigt man sich an den Menschenrechten”.

Zum kategorischen „Nein“ der ÖVP zur Aufnahme von Schutzsuchenden, sagte Fischer: „In der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem ist ein Satz aus dem Talmud eingraviert, der lautet: “Wer ein Menschenleben rettet, rettet die ganze Welt.”“

Kritik an ÖVP-Attacken auf Staatsanwaltschaft

Kritik übte Fischer auch an Angriffen auf die Justiz: Er zitierte den steirischen Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP), der in einem Zeitungsinterview (Kurier, 18. August 2021, Anm.) auf die Frage, ob Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Fall eines Strafantrags gegen ihn zurücktreten solle, gesagt hatte, man könne nicht zulassen, “dass ein Bundeskanzler von der vereinigten Opposition aus dem Rennen genommen wird, nur weil er jung und gescheit und bürgerlich ist”. Es sei inakzeptabel, die Staatsanwaltschaft “vorbeugend zum Instrument und zum Vollzugsorgan der Opposition” zu erklären – genauso wie es nicht akzeptabel wäre, sie im Falle einer Verfahrenseinstellung zum Instrument der Regierung zu machen, so Fischer.

Demokratie belastbar, aber von Grenzen fernhalten

Der Bundespräsident außer Dienst widmete sich in seiner Rede ausführlich der Geschichte der österreichischen Verfassung, dem mühevollen Weg ihrer Entstehung ebenso wie ihres Bedeutungsverlusts gegen Ende der Ersten Republik, “weil ein wachsender politischer Fanatismus zur Einhaltung demokratischer Spielregeln immer weniger bereit war, bis schließlich die Demokratie den Belastungen nicht mehr standhielt und ein antidemokratisches Hochwasser alle Verfassungsdämme überschwemmte”. Die Demokratie sei durchaus belastbar, aber es gelte auch, sie von den Grenzen ihrer Belastbarkeit fernzuhalten, so Fischer, der dabei auch auf das geplante Rechtsstaatlichkeitsvolksbegehren verwies. „Wer die Demokratie stützen und schützen will, muss auch den Rechtsstaat stützen und schützen. Und wer den Rechtsstaat gefährdet, gefährdet auch die Demokratie.“

Er mahnte, dass “nicht alles, was in einer Demokratie nicht ausdrücklich verboten ist, automatisch zum Bereich des ungeniert Machbaren und Akzeptablen gehört”. Österreich liege im internationalen Demokratieindex an 18. Stelle – das sei weltweit gesehen zwar ein Platz im Spitzenfeld, im Vergleich mit anderen EU-Staaten aber nur eine Position im Mittelfeld.

(bf/apa)

Titelbild: APA Picturedesk

Autor

  • Benedikt Faast

    Redakteur für Innenpolitik. Verfolgt so gut wie jedes Interview in der österreichischen Politlandschaft.

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