Montag, Juli 28, 2025

Baumgartner und Pilnacek: Italiener ermitteln besser

Was wäre, wenn Felix Baumgartner in Krems und Christian Pilnacek in Porto Sant ́Elpidio zu Tode gekommen wäre? Wahrscheinlich hätte sich bestätigt, dass in Italien besser ermittelt wird.

„Entgegen der ursprünglichen Annahme war es kein Herzinfarkt, der zum Verlust der Kontrolle über das Fluggerät (und damit zum Tod) führte. Was ist also passiert? Die derzeit wahrscheinlichste Hypothese ist eine andere Erkrankung. Baumgartners Herz weist nämlich keine Verletzungen oder Wunden auf, die auf einen Herzstillstand hindeuten könnten.“ Das berichtete die verlässliche italienischen Zeitung Il Fatto Quotidiano.

Am 17. Juli 2025 ist Felix Baumgartner beim Gleitschirmfliegen in der Nähe von Porto Sant’Elpidio in den italienischen Marken tödlich abgestürzt. Seitdem laufen in Fermo die Ermittlungen von Staatsanwaltschaft und Polizei auf Hochtouren.

„Die Ermittler neigen auch dazu, die Spur eines technischen Fehlers auszuschließen. Diese These wird auch durch die Tatsache bestätigt, dass erste Untersuchungen des in der Nähe des Schwimmbads abgestürzten Geräts zeigen, dass der Motor während des gesamten Sturzes auf Leerlauf gedreht hat. Das bedeutet: Baumgartner hat nicht versucht, mit den Steuerleinen des Fallschirms Manöver durchzuführen, um den Aufprall zu vermeiden. Er hat nichts unternommen, um die Tragödie abzuwenden.“

Fremdverschulden nicht ausgeschlossen

Kurz nach Beginn der Untersuchung stand mit großer Wahrscheinlichkeit fest: Baumgartner ist einem Unfall zum Opfer gefallen. Das Ergebnis der Obduktion liegt vor. Trotzdem wird weiter untersucht. Der Quotidiano weiß: „In den nächsten Tagen wird in Fermo ein auf Fallschirme und Gleitschirme spezialisierter Techniker erwartet, um die vom Fallschirmspringer verwendete Ausrüstung zu begutachten und eventuelle Fehlfunktionen zu überprüfen.“

Der Grund klingt vertraut: Ein Fremdverschulden – in diesem Fall durch technische Fehler am Gerät – kann nicht ausgeschlossen werden.

In Krems

So untersucht man in Italien. Wie wäre es in Krems an der Donau gewesen? Vielleicht so:

Gleich nach Eingang der Meldung im Innenministerium hätte verlässliche Beamte die Ermittlungen übernommen. Die Todesursache „Unfall“ wäre von Anfang an festgestanden. Damit hätte nichts dagegengesprochen, Baumgartners Handy bereits vor Fertigstellung des Obduktionsgutachtens der Familie auszufolgen. In diesem Fall hätte es nicht einmal für den Altkanzler einen Grund gegeben, die Todesursache öffentlich festzustellen.

Warum, hätten die niederösterreichischen Ermittler gefragt, soll man weitere Gutachten in Auftrag geben, wenn doch eh alles klar ist? Warum, fragen hingegen italienische Ermittler, soll man den Akt schließen, wenn noch Fragen offen sind?

In Italien

Damit sind wir längst beim Fall „Pilnacek“ und der Frage, wie wäre es in Italien gewesen? Vor dreißig Jahren hat dort eine Bewegung gegen die Korruption, die ganz Italien beherrschte, ein ganzes System zum Einsturz gebracht. Sie hieß „Mani Pulite“ – „saubere Hände“ – und an ihrer Spitze standen Staatsanwälte. Die „Stadt“, die sie ausmisteten, hieß „Tangentopoli“ – die Schmierstadt, nach „tangenti“, dem italienischen Wort für Schmiergelder.

Damit war Korruption nicht beseitigt, wie die spätere Machtübernahme durch Silvio Berlusconi zeigte. Aber niemand hat in Italien seitdem mehr ernsthaft versucht, die Behörden der Korruptionsbekämpfung so frontal und ungeniert anzugreifen wie die ÖVP in Österreich die WKStA.

Die Zeiten, in denen die großen politischen Sümpfe weit im Süden lagen, sind lange vorbei. Stellen wir uns vor, man hätte den wichtigsten Justizbeamten des Landes in der Nähe von Porto Sant ́Elpidio am Ufer des Chienti und nicht in einem Seitenarm der Donau gefunden. Was wäre in diesem Fall dort unternommen worden – und vor allem: was nicht? Es ist kaum vorstellbar, dass Staatsanwälte und Kriminalpolizisten in Fermo, Pescara oder Rom

  • nicht alle verfügbaren Kommunikationsdaten nach Hinweisen durchsucht hätten;
  • in einer staatsanwaltschaftlichen Untersuchung wegen eines Tötungsdelikts noch vor Erstellung des Obduktionsberichts „Suizid“ als Todesursache festgestellt hätten;
  • das Handy des toten Sektionschefs vorbei am Verlassenschaftskurator der Witwe „vererbt“ hätten;
  • den Laptop ohne Auftrag der Staatsanwaltschaft gesucht hätten;
  • und später, als die Vertuschung zum öffentlichen Thema wurde, statt Tatverdächtiger die Aufdecker verfolgt hätten.

Nicht mehr geheim

Anfang Juni meldete der Kurier einen österreichischen Fortschritt: „Im Regierungsprogramm ist alles klar geregelt. Welche der drei Parteien welche Posten nachbesetzen darf, ist damit – anders als in der Vorgängerregierung – als Streitpunkt ausgeräumt.“ Der Fortschritt bestand darin, dass erstmals öffentlich bekanntgegeben wird, welche Partei welche Spitzenposition in der Justiz besetzt.

Das Problem hieß „geheime Parteibuchwirtschaft in der Justiz“. ÖVP, SPÖ und NEOS haben gemeinsam das Wort „geheim“ gestrichen. Der Rest dürfte wohl bleiben.

Damit bleibt es bei österreichischen Verhältnissen. Affären wie die rund um Christian Pilnacek werden wohl weiterhin trotz und nicht mit Staatsanwaltschaften, Landeskriminalämtern, Bundespolizeidirektoren und Oberstaatsanwaltschaften aufgeklärt werden müssen.

Das Licht am Horizont heißt „Untersuchungsausschuss“. Vielleicht bringt er das türkise Polizei- und Justizfass endlich zum Überlaufen.

p.s.: Am 6. August wird der Prozess, mit dem Bundespolizeidirektor Michael Takacs mein Pilnacek-Buch verbieten lassen will, im Wiener Landesgericht für Strafsachen fortgesetzt. Im Zack-Shop gibt es noch Bücher, gerne auch mit persönlicher Widmung.

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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