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Hat Alma Zadic ihr Haus im Griff?

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Hat Alma Zadic ihr Haus im Griff?

Das ist ein Unterüberschrift

Christian Pilnacek ist entmachtet. Aber sein System ist noch da. Wieder und wieder zeigt sich: Alma Zadic hat Schwierigkeiten, sich im Justizministerium durchzusetzen.

 

Thomas Walach

Wien, 25. Juni 2021 | „Alma Zadic hat die Seiten gewechselt.“ Das dachten viele, als Justiz- und Innenministerium vorschlugen, Hausdurchsuchungen bei Behörden de facto zu verbieten. Tatsache ist: Dieser schwere Angriff auf Österreichs Rechtsstaat ist der Ministerin durchgerutscht. Geplant hatten ihn hohe Beamte in der Justiz.

Eine offene Rechnung

Im konkreten Fall, der Reform der Strafprozessordnung, waren das noch Pilnacek selbst und Abteilungsleiterin P. Die Beamtin genießt das Vertrauen Zadics. Dabei weiß man in der Justiz: Diese Abteilungsleiterin hat mit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), deren Ermittlungen die Reform erschweren soll, eine Rechnung offen. Und die ist persönlicher Natur. Die Spitzenbeamtin steht in einem engen Naheverhältnis zu einem BVT-Beamten, gegen den die WKStA im Zusammenhang mit der missglückten Razzia beim Verfassungsschutz ermittelte. Schon zuvor hatte dieselbe Beamtin Pläne betrieben, die WKStA zu zerschlagen.

Die üblichen Verdächtigen

Sie ist bei weitem nicht die einzige Akteurin im System Pilnacek. Das hat zwar seinen Puppenspieler verloren, doch die Puppen haben ein gruseliges Eigenleben entwickelt und tanzen an durchtrennten Schnüren weiter.

Es geht um „Michi, Harald und Sonja“, allesamt hohe Justizbeamte, die laut Chats zwischen Pilnacek und einer weiteren Abteilungsleiterin, M., Schritte gegen die aufsässige WKStA einleiten sollen. “Harald” greift gegen die Korruptionsermittler durch, wo möglich – unter anderem mit einem Dienstaufsichtsverfahren, als die WKStA Ermittlungen gegen Bundeskanzler Kurz einleitet.

Es geht um Johann „Hans“ Fuchs, den zeitweilig suspendierten Leiter der Wiener Oberstaatsanwaltschaft und rechte Hand Pilnaceks. Er führt die Aufsicht über die Verfahren der WKStA. Die Korruptionsermittlungen der ihm unterstellten Behörde tragen für Fuchs zur „Destablisierung unseres Staatsgefüges“ bei (Fuchs an Pilnacek), sind für ihn „Bassenajustiz“ und „politisierende Gerichtsbarkeit“.

Es geht um Erich Mayer, Nachfolger von Fuchs als Leiter der Staatsanwaltschaft Eisenstadt, der einem Staatsanwalt in seiner Behörde „keine lange Zukunft“ gibt. Das Vergehen des Mannes war, auf falsche Beweisaussagen im Ibiza-U-Ausschuss hinzuweisen, über die er Kenntnis erlangt hatte. Doch Fuchs müsse sich keine Sorgen machen, schreibt Mayer: in Eisenstadt stünden alle hinter ihm – und damit hinter Fuchs, hinter dem System.

Es geht um Spitzenbeamten wie Richard Ropper, der nämlichen „Whistelblower“ anrief und ihn unmissverständlich fragte: „Ah, du verlässt die Justiz?“

Pilnacek-Erfindung als neue Chefin

Als Pilnacek längst untragbar war, stand Zadic unter enormem Druck von Türkis. Sie versuchte eine Kompromisslösung, teilte die Sektion des Schattenministers und setzte eine interne Findungskommission ein, von der klar war, dass sie Pilnacek zum neuen alten Chef der Strafrechtssektion ernennen würde. Die noch viel heiklere Sektion „Einzelstrafsachen“, die darüber entscheidet, wer in Österreich angeklagt wird und wer nicht, ging an Barbara Göth-Flemmich. Pilnacek gefiel das, er schrieb prahlend an seinen Freund, den ehemaligen Langzeitjustizminister und Verfassungsrichter Wolfgang Brandstetter: „Göth-Flemmich meine Erfindung; seit 10 Jahren meine Stellvertreterin!“

Pilnaceks Ehefrau, Caroline List, ist Präsidentin des Grazer Landesgerichts. Sie hält die Befragung Blümels im Ibiza-U-Ausschuss für ein „abgekartetes Spiel“ des Kabinetts von Ministerin Alma Zadic.

Ein wichtiger Pfeiler des Systems Pilnacek ist die Generalprokuratur. Dort können Ermittlungsverfahren von einer Staatsanwaltschaft zur anderen verschoben werden. So kann man dafür sorgen, dass sie bei der „richtigen“ landen. Pilnacek und sein Mentor Brandstetter bevorzugen Innsbruck und Linz – dorthin solle man Verfahren gegen die WKStA delegieren, schreibt Brandstetter an Pilnacek. Und – Überraschung: Als ÖVP-Abgeordneter Andreas Hanger WKStA-Staatsanwälte anzeigt, wohin wird seine Anzeige delegiert? Nach Linz. Eine anonyme Anzeige gegen die Ermittler wird von der Staatsanwaltschaft Wels behandelt, ebenfalls unter Aufsicht der Linzer Oberstaatsanwaltschaft. Die Anzeige wird später auf Pilnaceks Handy gefunden. Auch Verfahren gegen Pilnacek selbst finden sich in Innsbruck und Linz wieder.

Das alles geschieht unter der Oberfläche, tief im Getriebe der Justiz und ihrer Spitzenbeamten. Gegen Eingriffe der Ministerin ist es nicht immun. Aber kein Minister kann in Österreich auf Dauer gegen seine Beamten regieren, es sei denn, er „räumt“ im Haus „auf“, so wie es Kurz im Kanzleramt oder auch Rudi Anschober im Gesundheitsministerium taten. Alma Zadic tat nichts dergleichen. Das System Pilnacek blieb, von seinem Namensgeber abgesehen, unangetastet.

Schlamperei oder Irreführung?

In diesem Zusammenhang muss auch eine seltsame Episode betrachtet werden, die sich diese Woche ereignete: Auf Fragen von Parlamentariern, welche geladenen Auskunftspersonen sich allenfalls entschlagen könnten, weil gegen sie ermittelt wird, antwortete der zuständige Beamte im BMJ schriftlich: „Blümel und Sobotka.“ Das Schreiben erging in Kopie an Sektionschefin und Pilnacek-„Erfindung“ Göth-Flemmich sowie Abteilungsleiter Robert Jirovsky, einen alten Verbündeten Pilnaceks. Vor der Befragung Sobotkas herrschte deshalb große Aufregung. Die Parlamentsdirektion fragte nochmals nach, nun sagte das Ministerium plötzlich: „Oh, tut uns leid, doch nicht.“ Die WKStA kann sich auf Nachfrage nicht erklären, wie das BMJ zu seiner Fehlinformation kam. Das Ministerium hatte sich auf Angaben aus der Staatsanwaltschaft bezogen, doch die hatte nie Ermittlungen gegen Sobotka geführt und auch keine ans Ministerium gemeldet.

Unfassbare Schlamperei oder bewusste Falschinformation? So oder so: Es läuft nicht alles rund im Ministerium von Alma Zadic; oder doch. Für das System Pilnacek läuft es ganz gut – mit und ohne Pilnacek.

Titelbild: APA Picturedesk

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